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Von Manfred Matheisen

Bielefelder
Optik

Endlich wieder Politik machen


Eine kesse Lippe hatte er schon immer, und gleich bei seinem ersten Auftritt als neu gewählter Chef der Bielefelder FDP machte er deutlich, dass er nicht gewillt ist, auf Schmusekurs zu gehen. Thomas Seidenberg bezeichnete die Bielefelder Rathauspolitik in seiner Einführungsrede schlicht als »phantasielos«.
Der mit 44 Jahren für die politischen Verhältnisse in Bielefeld noch vergleichsweise junge Mann ist kein Neuling. Von 1985 bis 1994 vertrat er die Liberalen im Rat. Seidenberg kennt also die Gegebenheiten im ostwestfälischen Zentrum. Nach einer »Auszeit« betritt er wieder die Bühne - und liegt mit seiner aktuellen, gewiss zugespitzten Formulierung nicht falsch. Man kann es auch anders ausdrücken: Politik, so scheint es, findet in Bielefeld derzeit nicht statt. Zumindest nicht in der öffentlichen Wahrnehmung.
Es soll überhaupt nicht in Abrede gestellt werden, dass die Probleme auch in Bielefeld komplex sind und es einfache Lösungen nicht gibt. Und ebenso unstrittig ist, dass die Finanzmisere den Gestaltungsspielraum erheblich einschränkt. Das muss aber doch nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine bleischwere Stimmung verbreitet wird und Miesepeterei das Tagesgeschäft bestimmt.
Schon seit geraumer Zeit gehen weder vom Oberbürgermeister noch vom städtischen Parlament Impulse aus. Der interfraktionelle Arbeitskreis zur Haushaltskonsolidierung tritt offenbar auch auf der Stelle.
Positivmeldungen überlässt das Rathaus den städtischen Töchtern. Es hat den Anschein, als ob nur noch Stadtwerke, Sparkasse oder BGW etwas bewegen könnten - im Übrigen mit dem Geld, das die Bielefelder für Produkte oder Dienstleistungen bezahlen.
Der Bielefelder Politik fehlt es an Frische und Dynamik. Man schmort im eigenen Saft und diskutiert zum Beispiel lange Wochen über Bezirke und Bezirksämter, als ob davon das Wohl und Wehe der Stadt abhinge. Es ist an der Zeit, dass die Akteure sich zusammenreißen. Dass es im Rat keine klaren Mehrheiten gebe, darf nicht als Ausrede gelten. Es muss endlich in Bielefeld wieder Politik gemacht werden.

Artikel vom 18.03.2006