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Leitartikel
Heiße Sache Klimaforschung

Wetter ist
kein
Wunschkonzert


Von Rolf Dressler
Schon das schlichte alltägliche Wetter hat es ja ziemlich schwer speziell mit uns Menschen. Denn den einen ist die reine Freude, was den anderen allerlei Unpässlichkeiten und Verdruss bereitet.
Zum Beleg dafür nehme man doch nur den Winter 2005/2006, einen besonders trutzigen Gesellen, der über die Monate hin schier überhaupt kein Ende finden will. Nur zu gern würde sich der Homo sapiens irgendwann auch noch zum allmächtigen Sonne-Wolken-Wind-und-Regenmacher aufschwingen. Zum Herrscher über alle vier Jahreszeiten. Frühling, Sommer, Herbst und Winter als meteorologisches Wunschkonzert à la carte - das wäre die Krönung. Oder etwa doch nicht?
Unterdessen besteht hohe Wahrscheinlichkeit, dass das täglich vieltausenfach regional und örtlich begrenzt wirkende Wetter sich von des Menschen Tun und Trachten auch fortan nicht nennenswert beeindrucken lassen dürfte: Es wird, je nachdem, seine Launen ausleben, unvorhersehbar erfreuliche oder lästige Kapriolen schlagen, verrücktspielen und dabei, je nach Tagesform, durchaus auch die Prophezeiungen unserer professionellen Wetterfrösche erfüllen, zur Genugtuung der ganzen Zunft.
Zumindest ins Schleudern gebracht hat der Winter 2005/2006 die Kassandra-Kohorten der Klimakatastrophen-Forschung. Ihre medial breit gestützte rigorose Selbstgewissheit zeigt Risse. Denn allein schon die Schlagzeilen, die dieser Winter auslöste, bringen die scheinbar gefestigte Laborwelt der Klima-Computer-Modellrechner kräftig ins Wanken.
Russland: längste Kälteperiode der Geschichte; Deutschland vereist; Europa bibbert in sibirischer Kälte; 55 Grad unter Null in Zentralasien und China, usw., usw.
Plötzlich geht's drunter und drüber in der Expertenschaft wie noch selten zuvor. Kein Wunder, dass in der Boulevardpresse der Bär steppt. Jeder Horror ist im Angebot. Ob »Neue furchtbare Eiszeit droht« oder, als totales Kontrastprogramm, »Europa verglüht«. Reichlich holzschnittartig und auf zu dünnem Erkenntnis-Fundament hantierten vor allem auch die Tonangeber der Klima-Branche, liest man jetzt sehr zweifelnd-kritisch gerade dort, wo bislang deren größte Unterstützer am Werke waren.
Völlig zutreffend schreiben nun beispielsweise die »Frankfurter Rundschau« und die »Süddeutsche Zeitung«, dass es bis heute keinen schlüssigen Nachweis dafür gebe, inwiefern Abgase aus Autos, Industrieschloten, Flugzeugen und Hausheizungsanlagen oder auch Brandrodungen in Urwäldern das Wettergeschehen ursächlich bestimmen.
Vollends skurril aber wird es, wenn Klimaforscher einerseits auf die mehr denn je unsichere Vorhersage-Basis selbst für Kurzzeit-Wetterprognosen verweisen, sich aber im selben Atemzug darauf festlegen, dass zumindest die nächsten fünf oder sechs Winter wahrscheinlich wiederum ähnlich kalt und lang werden wie der Winter 2005/2006.
Wir lernen: Auch Wetterfrösche sind oft recht drollige Gesellen. klimatisch gesehen und überhaupt.

Artikel vom 24.03.2006