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Vier Patienten sind
wieder bei Bewusstsein

Medikamententest: Zwei Männer weiter im Koma

London (dpa). Vier der sechs nach einem Medikamententest in London schwer erkrankten Männer haben am Freitag das Bewusstsein wiederlangt. Trotzdem müssten sie noch eine »ganze Zeit lang« von Spezialisten betreut werden, sagte der behandelnde Arzt, Ganesh Suntharalingam.

Der Präsident des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Johannes Löwer, kündigte unterdessen die Änderung der deutschen Prüfverfahren für neue Arzneiwirkstoffe an. »Künftig werden wir vorschreiben, dass neue Wirkstoffe nur noch nacheinander an Menschen getestet werden.«
Zwei der mit dem neuen Wirkstoff behandelten Männer befanden sich am Freitag weiter in kritischem Zustand. Es gebe aber erste Anzeichen, dass sie auf die Behandlung ansprechen, erklärte Suntharalingam. Noch sei aber unklar, ob sich die Patienten von den Folgen des Medikamententests je wieder vollständig erholen.
Die Familie eines 21-Jährigen berichtete unter Berufung auf Ärzteinformationen, er könne bis zu einem Jahr im Koma liegen. Herz, Niere, Lunge und Leber seien durch den Test geschädigt worden. Die Ärzte rätseln noch immer, was die starke allergische Reaktion bei den 18 bis 40 Jahre alten Männern ausgelöst hat.
Britische Wissenschaftler versicherten, dass Medikamententests in Großbritannien strikten Vorschriften unterliegen. Es müssten eine Reihe verschiedener Studien nachgewiesen und Dossiers vorgelegt werden, bevor ein Medikament am Menschen getestet werden könne, sagte Roberto Solari vom Rat für medizinische Forschung. PEI-Sprecherin Susanne Stöcker sagte zu dem britischen Test: »Das ist das absolut übliche Verfahren in Phase I an gesunden Probanden«. Anders sei das Vorgehen schon jetzt bei Präparaten für die Krebstherapie, die nach und nach einzelnen Kranken verabreicht würden.
Der Forschungschef des Pharmaunternehmens TeGenero aus Würzburg, Thomas Hanke, bestritt Berichte, wonach es bei Tierversuchen Probleme gegeben habe. Das Mittel TGN 1412, das zur Bekämpfung von Multipler Sklerose, Blutkrebs und Rheuma entwickelt wurde, sei an Hasen und Affen getestet worden. Dabei habe es keine Vorfälle gegeben, die auf das Medikament zurückzuführen seien, sagte Hanke. Nach Angaben der Anwältin der Patienten, Ann Alexander, sollen bei den Versuchen Tiere gestorben seien. Auch die Möglichkeiten eines Produktionsfehlers, einer Verunreinigung oder einer Überdosis müssten geklärt werden. Die britische Medikamenten-Aufsichtsbehörde MHRA teilte mit, dass die für die Testpersonen vorgesehene Dosis 500 Mal niedriger war als bei den Tierversuchen.
Die Biotech-Firma TeGenero (15 Mitarbeiter) entstand im Jahr 2000 als Ausgründung des Instituts für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg. Als Unternehmensziel wird genannt, innovative Immuntherapeutika zu entwickeln, die den Patienten helfen können, ein ausgeglichenes Immunsystem wiederzuerlangen. Das Mittel TGN 1412 war der erste »Entwicklungskandidat« der jungen Firma. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 18.03.2006