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»Bisher haben die Politiker es
versäumt, der Bundeswehr auch finanziell den Rücken zu stärken.«

Leitartikel
Wehrbeauftragten-Bericht

Trostpflaster
lindern den
Schmerz nicht


Von Dirk Schröder
»Die Bundeswehr ist keine Kuh, die man melken kann.« Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe hat in seinem ersten Jahresbericht den Finger genau in die Wunde gelegt, die nun aber nicht mehr länger nur mit einem (Trost-) Pflaster geheilt werden kann. Richtigerweise hätte Robbe sagen sollen, dass man die Streitkräfte nicht länger melken könne. Denn seit geraumer Zeit haben die Soldaten, und nun auch die Soldatinnen, die Sparerei zu ihren Lasten geduldig über sich ergehen lassen. Dass die Bundeswehr in all den Jahren ihre Aufgaben überzeugend und ohne großes Murren erfüllt, sich im In- wie im Ausland Vertrauen und Anerkennung erworben hat, ist sicherlich kein Verdienst der Politiker. Auch wenn die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist -Êund dies auch bleiben soll.
Seit Jahrzehnten müssen die deutschen Streitkräfte mit Kürzungen ihres Haushalts leben. Schon Mitte der 80er Jahre sah der damalige Verteidigungsminister Manfred Wörner angesichts der Sparbeschlüsse das »Ende der Fahnenstange« erreicht. Geändert hat sich seit dieser Zeit nichts.
Immer wieder wurde der Verteidigungshaushalt besonders kräftig zur Ader gelassen, um andere Löcher im Etat zu stopfen. Zu Lasten von geplanten Rüstungsbeschaffungen und immer stärker auch zu Lasten der Männer und Frauen, die heute als Armee im Einsatz die Sicherheit Deutschlands auch »am Hindukusch« verteidigen sollen -Êund demnächst wohlmöglich sogar im Kongo.
Fälle von Gewalt, Rechtsextremismus und Diskriminierung in der Armee - all diese Problemfelder haben immer wieder in den Berichten der Wehrbeauftragten eine Rolle gespielt. Nicht, dass diese Probleme verniedlicht werden sollen. Sie müssen auch weiterhin bekämpft werden. Doch spielen sie nicht die Rolle, die beunruhigt, sind sie doch ein Spiegelbild der Gesellschaft und werden sich nie ganz ausmerzen lassen.
Beunruhigen aber sollte schon, dass die Stimmung in der Truppe einen Knacks erhalten hat, Demotivation sich breitmacht. Das hat Gründe: Sagen und Tun der Politiker klaffen oft weit auseinander. Der Bundeswehr werden immer neue Aufgaben zugewiesen, der Umbau der Streitkräfte wird ohne Rücksicht auf die enormen Zusatzbelastungen durch die Auslandseinsätze vorangetrieben. Gleichzeitig aber müssen die Soldaten und Soldatinnen schmerzhafte Eingriffe in Besoldung und Versorgungsleistungen hinnehmen. Am Hindukusch hat der Soldat aus Leipzig den gleichen gefährlichen Auftrag wie der Soldat aus Bielefeld, in der Bezahlung aber steht er weiter hintenan.
Die Bundeswehr ist immer mehr zu einem Instrument deutscher Interessenvertretung geworden, auch wenn sich dies im Fall eines möglichen Kongo-Einsatzes nur schwer begründen lässt.
Bisher haben die Politiker es aber versäumt, der Bundeswehr für diese Aufgaben auch finanziell den Rücken zu stärken. Natürlich kennen auch die Bundeswehrangehörigen die allgemeine Haushaltslage. Sicherheit gibt es aber nicht zum Nulltarif, ebensowenig wie die Motivation der Soldaten.

Artikel vom 16.03.2006