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Starre Fronten im Tarifstreit

Uni-Ärzte streiken - Länder lehnen niedersächsischen Abschluss ab

Berlin/Hannover (Reuters/dpa). Auch nach der Einigung mit den Kommunen in Niedersachsen bleiben die Fronten im Tarifstreit der Länder im öffentlichen Dienst verhärtet. Während die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gestern für die Anrufung der Schlichtung plädierte, lehnte der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring, dies entschieden ab.

Der Kompromiss von Gewerkschaft und Kommunen im öffentlichen Dienst in Niedersachsen ist für Möllring kein Vorbild für die Länder. »Das wäre ein Rückschritt«, sagte Möllring. »30 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder arbeiten 40 Stunden in der Woche.«
In Niedersachsen erzielten die Kommunen die erste Einigung mit Verdi im laufenden Tarifkonflikt in einem Flächenland. Für die Beschäftigten wird die Arbeitszeit um 24 Minuten auf etwa 39 Stunden pro Woche angehoben. Ausgenommen sind Berufsgruppen mit großer körperlicher Belastung wie Müllwerker und Beschäftigte in Krankenhäusern. Die Einigung könnte Signalwirkung für Baden-Württemberg haben.
Möllring schloss ein Auseinanderbrechen der Tarifgemeinschaft der Länder nicht aus. Verdi müsse wissen, was ihr der Flächentarifvertrag wert sei, sagte der CDU-Politiker. Andernfalls gebe es 16 Länder, die jedes für sich Tarifverträge schlössen. Notfalls müsse man aber den Weg von Berlin und Hessen gehen, die aus der Tarifgemeinschaft ausgeschert waren. Verdi-Chef Bsirske sagte, er wolle der Zersplitterung der Tarifgemeinschaft der Länder nicht das Wort reden, schloss dies aber ebenfalls nicht aus.
Nach der Einigung in Niedersachsens werde dort der seit über vier Wochen dauernde Streik zum Wochenende ausgesetzt, kündigte der niedersächsische Verdi-Vorsitzende Wolfgang Denia an. Die Urabstimmung über das Tarifergebnis beginne kommende Woche. Nach Verdi-Angaben sind von der Einigung mit den kommunalen Arbeitgebern 140 000 Beschäftigte betroffen. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen behalte die 38,5-Stunden-Woche. Die übrigen Beschäftigten sollen künftig 39 Stunden pro Woche arbeiten. Zusätzlich sollen Heiligabend und Silvester nicht mehr als freie Tage gewertet werden, sondern per Gleitzeitkonto vor- oder nachgearbeitet werden.
Die Gewerkschaft der Krankenhausärzte, der Marburger Bund (MB), kündigte von heute an Streiks der Universitäts-Ärzte an. 98,4 Prozent der abstimmenden Mediziner hatten für einen Arbeitskampf votiert. Zunächst werde bundesweit in acht Krankenhäusern die Arbeit niedergelegt. In NRW sollen die Uni-Kliniken in Essen und Bonn bestreikt werden. Die Ärzte fordern 30 Prozent mehr Gehalt.
MB-Geschäftsführer Armin Ehl sagte, Streiktage würden in den Kliniken ablaufen wie Sonntage. Intensivstationen und Nachschichten würden besetzt, Notoperationen und unaufschiebbare Untersuchungen gewährleistet. »Normale und planbare Operationen« würden jedoch verschoben. Von den 22 000 Uniklinik-Ärzten könnten jeweils »mit Sicherheit 7500 streiken«, ohne dass es für die Patienten gefährlich werde.
MB-Chef Frank-Ulrich Montgomery: »Die Patienten werden wir schützen.« Auf die Uni-Kliniken kommen Einnahmeausfälle in dreistelliger Millionenhöhe zu. Als Grund gabe der MB an, dass viele Patienten auf kommunale Krankenhäuser ausweichen dürften.

Artikel vom 16.03.2006