15.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Enkelin Opfer des Großvaters (72)

Sexueller Übergriff mit Bewährungsstrafe und Geldauflage geahndet

Bielefeld (uko). Seinen ganz persönlichen Sexualkundeunterricht hat ein pensionierter Lehrer (72) aus Bielefeld seiner damals 15-jährigen Enkelin gegeben. Der Erzieher wurde am Dienstag vom Amtsgericht wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Das war passiert: Ende des Jahres 2001 war die Schülerin Marja Z. (Name des Opfers geändert) tageweise von ihrer Großmutter aufgenommen worden, die mit ihrem Lebensgefährten und späteren Ehemann Werner W. zusammenlebte. Man habe sich um das Mädchen gekümmert, weil es von ihren Eltern vernachlässigt und geschlagen worden sei, sagte der Rentner gestern als Begründung.
Dabei soll es mehrfach zu intimen Begegnungen des alten Mannes und des jungen Mädchen gekommen sein. Aktenkundig war zumindest ein Vorfall, der nun vor dem Amtsgericht verhandelt wurde. Werner W. soll demnach den Intimbereich des Mädchens betrachtet und die Enkelin seiner Partnerin auch am ganzen Körper gestreichelt haben.
Völlig uneinsichtig und starrsinnig wies Werner W. gestern alle Vorwürfe zurück: Anlässlich seiner Aussage bei der Polizei habe man ihn »auf das Schlimmste beschimpft«. Er habe dann resigniert und das »Protokoll ungelesen unterschrieben«. Im übrigen habe er überhaupt nichts Unrechtes getan, sagte W. und ließ alle Prozessbeteiligten völlig erschüttert zurück. Der früher als Erzieher in der Jugendhilfeeinrichtung Schweicheln tätige Mann rechtfertigte sich mit dem Hinweis, er habe das leicht debile Mädchen »aufbauen wollen«, da Marja von ihren Eltern nur verprügelt worden sei. W. wörtlich: »Ich wollte, dass sie liebestüchtig wird. Sollen denn Mädchen da draußen einfach so vergewaltigt werden?«, fragte der Angeklagte scheinheilig. - Weitergehende Ermittlungen der Polizei im Bereich der Schweichelner Einrichtung blieben übrigens ohne Ergebnis.
Rechtsanwältin Heidi Saarmann, die die Nebenklage des völlig überforderten Opfers vertrat, hatte für diesen Sexualkundeunterricht des Angeklagten nur einen sarkastischen Seitenhieb parat: »Wollen Sie auch noch eine Ehrenurkunde dafür haben, dass Sie als Erzieher ein misshandeltes Kind obendrein sexuell missbrauchen«
Erst nach diesen Worten dämmerte es dem 72-Jährigen, dass er kaum straflos das Gericht verlassen könne. Amtsrichterin Sigrid Brecht verurteilte den Mann schließlich zu sechs Monaten Haft, deren Verbüßung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Werner W. muss zudem eine Geldauflage in Höhe von 2 000 Euro zahlen - an den Frauennotruf. Der Mann nahm das Urteil an.

Artikel vom 15.03.2006