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Nicht ohne das
gute »Plural-S«

Größte Deutschstunde der Welt

Von Susanne Schmetkamp
Köln (dpa). Es sah aus wie bei einem Popkonzert oder bei den Eishockeyspielen der Kölner Haie: Die Kölnarena war fast bis auf den letzten Platz besetzt, doch statt zu Musik oder Sport kamen die fast 15 000 Besucher am Montagabend zum Lernen.
»Lehrer« für die Massen: Bastian Sick.Foto: dpa

Zur »größten Deutschstunde der Welt« hatten die Veranstalter des Literaturfests lit.Cologne geladen. 500 Schulklassen, aber auch etliche Erwachsene nahmen in dem riesigen Klassenzimmer Platz. Am Lehrerpult: »Zwiebelfisch«-Kolumnist und Bestsellerautor Bastian Sick (»Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«).
Auf ebenso amüsante wie lehrreiche Weise erklärte der Autor, ob es heißt »Ich gehe zu Aldi« oder »Ich gehe nach Aldi«. Manch einer verwende gar die Präposition »bei«: »Ich geh bei Mutti«. An anderer Stelle machte Sick, ein studierter Romanist, auf Begriffe der französischen Sprache - wie Rendezvous, Adieu oder en vogue - aufmerksam, die nach und nach von Anglizismen - date, bye bye und trendy - verdrängt werden.
Eingeschlafen ist bei dieser Deutschstunde wohl niemand. Neben Sick, der beinahe wie ein Superstar empfangen wurde, sorgten die Kölner A-Cappella-Band Basta, der russisch-deutsche Autor Wladimir Kaminer und die Komikerinnen Cordula Stratmann und Annette Frier (»Schillerstraße«) für Jubel. Begeisterungsstürme gab es vor allem, als drei Lehrer der anwesenden Schüler zum Test aufgerufen wurden und sich mit Bravour schlugen.
»Es hat mir sehr viel Spaß gemacht«, sagte Sick nach dem »Unterricht«. Mehr als zwei Millionen Mal ging bislang Sicks zweibändiger »Wegweiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache« über den Ladentisch. Ein paar Kapitel las er während seiner »Deutschstunde« vor. Für Lacher sorgte vor allem sein Essay über Ansagen im Bahnverkehr, wo man sich etwa »in der Ankunft« verspätet und außerdem »aus Gleis 10 abfährt«. »Man kann aus der Haut fahren, aber doch nicht aus dem Gleis«, belehrte Sick die Zuhörer.
Stratmann und Frier mühten sich in einer imaginären »Trattoria« unterdessen mit dem italienischen Plural ab. »Dos due cappuccinis«, orderte Stratmann. »Cappuccini« sei zwar der Plural im Italienischen, aber »da wir ja in Deutschland sind, muss da auch noch das deutsche Plural-s dran. Also: Cappuccinis! Verstehste!«, argumentierte das Improvisationstalent und versank immer tiefer im Sprachsumpf.
Autor Kaminer erzählte mit charmantem russischen Akzent, wie man in Russland die deutsche Sprache lernt: Entweder in der Schule, wenn man für den Englisch-Unterricht zu schlecht war, oder mit den Texten der Band Rammstein.

Artikel vom 15.03.2006