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Die würdelose Geste
des Tretens im Staub

Gunter Gebauer philosophiert über Fußball


Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Eigentlich ist Fußball ein einfaches Spiel. Das Team, das die meisten Tore schießt, gewinnt. Kompliziert wird Fußball, wenn sich der Professor für Philosophie und Sportsoziologie an der Freien Universität Berlin, Gunter Gebauer, mit ihm beschäftigt. In »Poetik des Fußballs« erwartet die Leser schwere, trockene Kost.
Gebauer macht aus Fußball eine Wissenschaft, so wie in dieser Textstelle: »Alle Spieler werden gleichermaßen von den Leistungen der Hände und der Sprache ausgeschlossen. Das Geschehen im Fußball spielt sich am Boden ab, nicht in Augenhöhe; der Kopf dient zum Stoßen. Auf den Fuß werden Aufgaben der Gewalt übertragen; im Spiel werden sie zu einer Kunstfertigkeit veredelt.«
Während der Ball in Gestalt einer Kugel die »perfekteste Form« verkörpere, kennzeichne den Sport an sich die »würdelose Geste des Tretens im Staub der Erde«, doziert Gebauer. Philosophisch betrachtet, ziele Fußball auf die »Beherrschung eines Territoriums und seiner Bevölkerung« ab. Dabei übernehme das Spiel »Bewegungen des Tanzes«, meint Gebauer. »Viele Füße bewegen sich auf dem Spielfeld, während sich der Ball an einer Stelle befindet.«
So wie Theater und Kino erzähle der Fußball »von den großen Individuen, den Anführern, den Machern, den Könnern, den Profis, den Lichtgestalten«. Bei Fußball-Weltmeisterschaften sei die »Heroisierung auf dem Rasen zu besichtigen«. An einigen Stellen übertreibt es Gebauer mit dem philosophischen Überbau und produziert ungewollt Lächerliches: »Das Tor im Fußballspiel ist eine Art großer Eingang mit einer durch einen Kreidestrich markierten Schwelle. Der dahinter liegende, mit Netzen abgetrennte Raum ist um jeden Preis zu schützen. Diese Aufgabe kommt in erster Linie dem Torhüter zu: er ist so etwas wie der Hüter eines Hauses.« Wer will das eigentlich so genau wissen?
Gebauer, Gunter: Poetik des Fußballs, Campus Verlag Frankfurt 2006, 180 Seiten, 14,90 Euro.

Artikel vom 23.03.2006