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Aussage beim Zoll kostet Job

Sieben Arbeiter fristlos entlassen

Von Christian Althoff
Minden (WB). Sieben Facharbeiter aus Kroatien, die beim Zoll belastende Aussagen über angebliche Missstände auf der Großbaustelle des Mindener Klinikums gemacht hatten, sind gestern fristlos entlassen worden. Bereits heute soll Ersatz für sie aus Kroatien eintreffen.

Die in Oberhausen ansässige Deutschland-Niederlassung der kroatischen Baufirma Radnik errichtet etwa 25 Prozent des Klinikum-Rohbaus. Das Unternehmen beschäftigt derzeit nach eigenen Angaben 38 Kroaten mit Einschal- und Betonierarbeiten.
Gegenüber der Industriegewerkschaft Bau hatten etliche diese Männer wiederholt schwere Vorwürfe gegen die Firma erhoben. Sieben Arbeiter suchten schließlich am 3. März das Zollamt in Herford auf und schilderten den Fahndern ihre Erlebnisse.
Danach sollen die Arbeiter nur auf dem Papier den gesetzlichen Mindestlohn von 12,30 Euro bekommen haben.
Tatsächlich ziehe Radnik ihnen bis zu 40 Prozent vom Lohn ab - offiziell, um das Geld an die Familien der Arbeiter nach Kroatien zu überweisen. »Dort kommt das Geld zwar auch an, aber der Großteil wird sofort wieder abgebucht - mit einer Einzugsermächtigung, die die Arbeiter vor ihrer Abreise nach Deutschland unterschreiben mussten«, erklärte gestern Bodo Matthey von der IG Bau in Bielefeld. Damit stimme die Buchhaltung in Deutschland, und Nachforschungen würden erschwert.
Der Zoll ermittelt inzwischen gegen Radnik wegen Verdachts des Verstoßes gegen Mindestlohnbestimmungen. Matthey: »Die Arbeiter bekommen nicht nur einen zu geringen Stundenlohn, ihnen werden auch die meisten ihrer Überstunden nicht bezahlt.« So schulde der Arbeitgeber acht Mitarbeitern für die Monate Oktober bis Januar insgesamt 73 000 Euro, die jetzt beim Arbeitsgericht eingeklagt würden, sagte der Gewerkschafter.
Der Geschäftsführer von Radnik in Oberhausen bestreitet das. Er erklärte zudem, den sieben Arbeitern sei nicht wegen ihrer Aussage beim Zoll gekündigt worden, sondern weil sie an jenem Tag nicht zur Arbeit gekommen seien und sich geweigert hätten, weiterhin Überstunden zu leisten.
Bodo Matthey sagte, die Kündigung der sieben Männer diene auch der Einschüchterung anderer Arbeiter auf der Baustelle: »Slowaken etwa nehmen es schweigend hin, dass sie für 290 Stunden schwere Arbeit nur 1200 Euro bekommen - also 4,13 Euro pro Stunde.« Der Gewerkschafter nannte es beschämend, dass »solche Methoden« bei einer öffentlichen, 210 Millionen Euro teuren Baumaßnahme möglich seien, ohne dass Verantwortliche wie Minden-Lübbeckes Landrat Wilhelm Krömer eingriffen.

Artikel vom 15.03.2006