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Sehnsucht der Menschen nach Nähe

»Komm näher« ist ein gewagtes Film-Experiment


Ein Zusammenprall zwischen zwei Fremden in der Großstadt: Mathilda (Meret Becker), die müde über den Gehweg trottet, wird von einem Polizisten auf Verfolgungsjagd hart angerempelt, ihre selbst gedrehte »Kippe« zu Boden geschlagen. Kurz treffen sich ihre Blicke, sie schaut empört, er flehend. Diese kurze und dabei so eindringliche Anfangsszene des Films »Komm näher« erinnert an den jüngst mit dem Oscar prämierten Film »L.A. Crash«: Um aus der Isolation heraus zu kommen und andere zu spüren, bedarf es manchmal offenbar einer rabiaten Nähe.
Anhand von drei Geschichten nimmt Vanessa Jopp (»Vergiss Amerika«) mit ihrem neuen Film die Sehnsucht der Menschen nach Nähe und ihre gleichzeitige Angst vor Zurückweisung aufs Korn. Dabei ist sie ein gewagtes Experiment eingegangen: »Komm näher« begann nicht mit einem fertigen Skript, sondern einzig mit bestimmten Charakteren, deren Verhalten und Dialoge dann von den Schauspielern - hervorragend: Meret Becker, Marek Harloff, Stefanie Stappenbeck und Marie-Luise Schramm - improvisiert wurde.
Da ist zum einen die Gelegenheits-Jobberin Mathilda, die sich lieber auf One-Night-Stands als auf ihre »Liebe auf den ersten Blick«, den Polizisten Bronski (Hinnerk Schönemann), einlässt und dabei erwartungsgemäß enttäuscht wird. Daneben gibt es Ali (Stefanie Stappenbeck), aufstrebende Landschaftsarchitektin, und schließlich den Taxifahrer und Langzeitsingle Andi (Fritz Roth), der die schüchterne Johanna (Heidrun Bartholomäus) über eine Kontaktanzeige kennen lernt. Die Figuren sind hilflos, bemitleidenswert und zugleich faszinierend real.

Artikel vom 16.03.2006