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Auf einmal ein
freier Mann

Hausexplosion: Mordurteil aufgehoben

Düsseldorf (dpa). Spektakuläre Wende im Prozess um die verheerende Gasexplosion in einem Düsseldorfer Mietshaus: Fast neun Jahre, nachdem sechs Menschen unter den Trümmern starben, geht das Landgericht Düsseldorf nicht mehr von Mord aus.

Dem damaligen Hausbesitzer und Unternehmer Heinz N. sei die Tat, bei der das Haus am 24. Juli 1997 restlos zerstört worden war, »aus dem Ruder gelaufen«, sagte gestern der Vorsitzende Richter des Verfahrens, Klaus Buhlmann. Allerdings sei ihm nach wie vor die vorsätzliche Herbeiführung einer Explosion vorzuwerfen. Dafür gibt es bis zu 15 Jahre Haft.
Doch der 46-Jährige hat gute Chancen, nicht mehr ins Gefängnis zurückkehren zu müssen. Er hatte mehr als acht Jahre in Untersuchungshaft gesessen, bevor das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2005 die Freilassung angeordnet und die unteren Instanzen einschließlich des Bundesgerichtshofs scharf kritisiert hatte. In erster Instanz waren der Unternehmer und sein Komplize wegen sechsfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Während die Strafe für den Helfer, einen Dachdecker, rechtskräftig ist, hatte der Bundesgerichtshof das Urteil gegen den mutmaßlichen Drahtzieher wegen eines Formfehlers aufgehoben: Bei einer der Zeugenvernehmungen war sein Verteidiger nicht über den Termin informiert worden.
Die Neuauflage des Prozesses am Düsseldorfer Landgericht dauerte jetzt länger als zwei Jahre. Das Gericht geht, wie beim erstinstanzlichen Urteil, davon aus, dass der Hausbesitzer aus Geldgier eine Gasexplosion im Keller des Hauses ausgelöst hat. Er wollte demnach die Versicherungssumme kassieren. Dass er gleich das ganze Haus in die Luft fliegen lassen wollte, konnte aber nicht bewiesen werden. Genausogut habe er den unliebsamen Mietern »nur einen gehörigen Schrecken einjagen« wollen, um sie zu vergraulen, meinte die Kammer nun. So, wie er zuvor auch schon zwei Mal Feuer in dem Haus gelegt habe - oder legen ließ. Auch sei der Mann als Drahtzieher der Aktion in der Tatnacht vermutlich nicht im Haus gewesen und sein Komplize habe den Stopfen an der Gasleitung alleine gelöst.
Die Aufhebung des Mord-Urteils und die Freilassung habe gestern sogar im Gefängnis für Aufregung gesorgt, berichtete ein Zeuge am Rande: »Warum kommt der mit so einem Ding raus und wir sitzen hier?« hätten sich einige Gefangene gefragt. Das trifft insbesondere wohl auf den Komplizen und Handlanger des Hausbesitzers zu. Der Dachdecker sitzt nun allein für die gleiche Tat wegen sechsfachen Mordes lebenslänglich - ohne Aussicht auf eine Wiederaufnahme seines Verfahrens. Nach acht Jahren eisernen Schweigens hatte er im vergangenen August sein Gewissen erleichtert - und war dabei doch wieder seinem alten Arbeitgeber behilflich: »Wir waren das«, gestand er zwar, sagte aber auch: »Das war so nicht gewollt.«

Artikel vom 15.03.2006