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»Spiegel« stellte
die Strafanzeige

Anwälte finden Arbeitsweise seltsam

Von Wolfgang Wotke
Bielefeld/Gütersloh (WB). Jetzt ist es raus: Die Strafanzeige, die am 6. Januar die Finanzaffäre um Fußballbundesligist Bayer Leverkusen, dessen Ex-Manager Reiner Calmund und den Gütersloher Spielervermittler Volker Graul auslöste (wir berichteten ausführlich), hat einer der »Spiegel«-Redakteure gestellt. Das hat gestern die Kölner Staatsanwaltschaft bestätigt.

Aus dem Hamburger Verlagshaus war gestern keine offizielle Stellungnahme zu erhalten. Der »Spiegel«-Wirtschaftsredakteur Jörg Schmitt soll, sagte Graul-Anwalt Dr. Detlev Binder, bei der Kripo Bielefeld vorgesprochen haben und Details zu »windigen Geldtransfers« bei Leverkusen gemacht haben. Allerdings soll der Journalist nicht damit gerechnet haben, dass er als »Anzeigensteller« in die Akten kam. Die Polizei ist nämlich verpflichtet, solchen Hinweisen nachzugehen.
Jörg Schmitt ist übrigens einer der Autoren, die am Montag in der neuesten »Spiegel«-Ausgabe noch darüber spekuliert hatten, dass der Ex-Arminen-Kicker Ansgar Brinkmann in den Finanz-Wirbel um Calmund und Graul geraten sei. Das Nachrichtenmagazin befürchtete nämlich, dass »der weiße Brasilianer«, wie Brinkmann oft genannt wird, im Bundesliga-Abstiegsspiel am 4. Mai 2003 zwischen Bayer und Bielefeld seinen Platzverweis vorsätzlich provoziert haben könnte. Der Bericht über Ansgar Brinkmann (heute Preußen Münster) hatte hohe Wellen geschlagen.
Inzwischen haben sich laut Rechtsanwalt Mario Ermisch, der Brinkmann vertritt, die Wogen geglättet. »Wir sind jetzt ganz ruhig und gelassen. Für mich ist das alles ein Unding. Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Wir prüfen jetzt jeden rechtlichen Schritt gegen die Stimmungsmacher«, sagte der Bielefelder Jurist gestern dem WESTFALEN-BLATT. Ermisch fügte hinzu, dass sein Mandant jetzt nicht mehr der »Täter«, sondern das Opfer sei.
Auch Volker Grauls Rechtsbeistand Dr. Detlef Binder aus Bielefeld bleibt vorerst gelassen. »Ich habe gerade mit meinem Mandanten telefoniert. Wir werden in aller Ruhe die Ermittlungsakten abwarten, um dann sachlich reagieren zu können. Wir poltern nicht gleich gegen Gott und die Welt los, sondern wir suchen nach einer eleganten Art und Weise, wie wir uns zur Wehr setzen können«, erklärte Binder. Auf alle Fälle wolle er jeden rechtlichen Schritt gegen »mögliche Gegner« abklopfen. Doch für Binder ist die Arbeitsweise des »Spiegel« recht seltsam. Binder: »Anscheinend ist so etwas gang und gäbe. Auch das prüfen wir.« Kurios: Der »Spiegel« berichtete über Brinkmann, nachdem die Ermittlungen gegen ihn längst eingestellt waren.

Artikel vom 15.03.2006