18.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Nur der Wettkampf zählt
Computer-Netzwerkspieler treffen sich im Jugendhaus in BielefeldEinige Politiker der großen Koalition haben sich auf »Ego-Shooter« eingeschossen. Dahinter steht die Befürchtung, die Spiele könnten Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen fördern. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen seien zu lasch, offen wird ein Verbot von Herstellung und Vertrieb von »Killerspielen« diskutiert.
Ê Dazu zählt die Politik auch Shooter, bei denen der Spieler aus der Ich-Perspektive mit vorgehaltener Waffe in den virtuellen Kampf zieht. Aber macht die Ausübung virtueller Gewalt wirklich gewaltbereit? Sicher nicht in jedem Fall: Das WESTFALEN-BLATT ist mit den Teilnehmern einer LAN-Party in Bielefeld in die Schlacht gezogen - und hat »ganz normale« Computer-Spieler gefunden, die ihre Freizeit mit einem anspruchsvollen Sport bereichern.
Im AWO-Jugendhaus in Bielefeld-Brake sind es vor allem 18- bis 20-Jährige, die gegeneinander spielen. Der Anstoß für die Party kam von dem Zivildienstleistenden Florian Schwarz: »65 Computerbegeisterte können auf einer von uns geschaffenen technischen Basis mit- und gegeneinander spielen, und ich traue ihnen zu, zwischen wirklicher und der im PC dargestellten Gewalt zu unterscheiden.« Auch Moritz Häußler, der gemeinsam mit Ariane Meier das Kinder- und Jugendhaus der AWO leitet, hat keinerlei Bedenken: »Wir erleben ein fröhliches Miteinander über fast 24 Stunden hinweg, was wenige Veranstaltungen von sich behaupten können.«
In der mit Technik überfrachteten Halle werden Tipps gegeben, technische Probleme gelöst oder einfach Erlebnisse ausgetauscht. Kommunikation findet längst nicht nur über Headsets (Kopfhörer und Mikrofone) und zu Themen wie virtueller Geiselbefreiung oder Taktik statt.
Das Computerspiel als fesselndes Sportereignis: Gefordert sind Konzentration, Reaktion, taktisches Denken - und Durchhaltevermögen, denn Beginn war am Freitagnachmittag um 17 Uhr, die Party endet am Samstagnachmittag.
Ein wenig abseits gibt es einen streng abgegrenzten Bereich, in dem Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren spielen dürfen. Sie mussten zuvor ihren Personalausweis und eine schriftliche Erklärung der Eltern vorzeigen, dürfen den Ü-18-Bereich (über 18) nicht betreten und müssen sich auf Spiele beschränken, die für ihr Alter freigegeben sind.
Wie bei Filmen werden Computerspiele mit Altersfreigaben versehen, allzu gewalttätige Spiele gar verboten. In der Praxis sehe es jedoch so aus, dass sich sogar schon Kinder die »verbotene Ware« beschafften. »Mit fatalen Folgen«, findet Moritz Häußler, »wir beobachten, dass acht- und neunjährige Kids in ihrer Freizeit größtenteils Gewaltspiele spielen. Ganz deutlich werden deren negative Auswirkungen bei den schulischen Leistungen.«
Die Alterseinstufung führt manchmal auch dazu, dass die Hersteller Spiele »entschärfen«. Im Falle des Ego-Shooters »Counterstrike«, in dem es um Antiterroreinsätze und Geiselbefreiungen geht und der zum Standardspiel aller Netzwerkveranstaltungen geworden ist, bedeutet das unter anderem: gelbes statt rotes »Blut«. Dazu ein Mitglied des Netzwerk-Clans »Team Bielefeld«: »Im Endeffekt ist die Farbe des Blutes nicht ausschlaggebend, denn wir sehen in den virtuellen Gegnern sowieso keine Menschen, und das Blut dient ausschließlich als Indikator, um die Trefferlage zu analysieren. Wir schießen weder auf unseren Kameraden am Rechner nebenan, noch auf einen Terroristen oder Polizisten, sondern lediglich auf Pixel.«
Das Spiel diene nicht dazu, Gewalt realistisch darzustellen. Es gehe nur um den Wettkampf. Der Clan trainiert jeden Sonntag- und Mittwochabend jeweils zwei Stunden über das Internet, dann werden Karten und Taktiken einstudiert. Wozu dann Netzwerkpartys? »Wir lernen uns auch nur über das Internet kennen - da ist es sehr spannend, sich mal in der Realität zu treffen. Netzwerkpartys sind ein hervorragender Anlass dafür.«
Thomas Meyer

Artikel vom 18.03.2006