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Neuer Wärter bei Big Ben
Ein Blick in die wohl berühmteste Uhr der Welt - Genauigkeit muss sein
Geld gibt es nicht gerade viel bei diesem Job. Und trotzdem wird er gern gemacht. Klingt ein bisschen geheimnisvoll, wird aber gleich aufgeklärt. Schauen wir doch mal nach London.
Die britische Hauptstadt ist riesengroß. Und eine solche Stadt braucht natürlich auch eine Riesenuhr. Und die gibt es auch im Turm des Parlamentsgebäudes. »Big Ben« heißt das Riesending. Und genau dort, für die wohl berühmteste Uhr der Welt, ist ein Traumjob frei. Das britische Parlament sucht nämlich einen neuen Wärter für »Big Ben«. Einen von vieren, die rund um die Uhr im Einsatz sind. Dem künftigen Kollegen verrät Ian Westworth schon mal: »Man macht das nicht des Geldes wegen, sondern aus Liebe«. Der 44-Jährige macht seine Arbeit seit Jahren gern. »Die Uhr ist ein Wahrzeichen von Großbritannien. Man kann stolz darauf sein, dass man dafür zuständig ist, dass sie perfekt läuft.« Wen es interessiert: Genau 19 429 britische Pfund, dass sind umgerechnet 28 195 Euro, gibt es pro Jahr. Trotzdem, der Job ist begehrt.
Die Mechanik im Glockenturm des Parlamentsgebäudes an der Themse ist unbestritten eines der Meisterwerke der Uhrmacherkunst. Fast anderthalb Jahrhunderte schon - Fertigstellung war am 7. September 1859 - dröhnen die weltbekannten Schläge zu jeder Viertelstunde aus 55 Metern Höhe herab. Bis heute gilt der Big Ben, der seinen Namen vom einstigen Staatsbaumeister Benjamin Hall hat, als eine der zuverlässigsten Zeit-Anzeigen überhaupt. Zwei Sekunden Abweichung sind maximal erlaubt.
Die Dimensionen sind beeindruckend: Der Stundenzeiger misst 2,70 Meter. Der Minutenzeiger ist 4,30 Meter lang. Die größte der fünf Glocken, die Great Bell, wiegt 13,5 Tonnen. Bei der Bedienung ist also mehr Mechanikerwissen als Kenntnis von antiken Uhren gefragt. Dazu gehört auch, dass drei Mal die Woche ein Elektromotor eingeschaltet werden muss, der die Uhr aufzieht. Die Feinabstimmung wird dann wie eh und je mit Penny-Münzen gemacht, die auf das Pendel gelegt werden, um es entweder zu beschleunigen oder zu verlangsamen.
Bisher haben die »Hüter der Großen Uhr« gute Arbeit geleistet. Meist blieb es bei kleineren Problemen - wie im August 1945, als sich immer wieder eine große Schar von Staren auf den Zeigern niederließ und deren Fortgang bremste. Oder in der Neujahrsnacht 1962. Damals blockierten eisige Temperaturen die Mechanik und sorgten dafür, dass das neue Jahr erst mit zehn Minuten Verspätung eingeläutet werden konnte. Im vergangenen Jahr stand die Uhr gleich zwei Mal still (einmal im Mai und einmal im Oktober), was bis dahin in der Big-Ben-Geschichte noch nie vorgekommen war. Aufgabe des neuen Uhrenwärters wird sein, dass sich solche Pannen nicht wiederholen.

Artikel vom 25.03.2006