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Wie aus fein gemahlenem Sand
ein Millionenvermögen wurde

Erfinder aus Bad Salzuflen wehrt sich gegen Vorwurf der Quacksalberei

Von Christian Althoff
Lage (WB). Erfinder Gerd Thöne aus Bad Salzuflen sieht sich dem Vorwurf der Scharlatanerie ausgesetzt. Das auf ihn zurückgehende Nahrungsergänzungsmittel »Neosino«, auf das Kicker des FC Bayern München schwören und dessen Börsenkurs lange steil nach oben zeigte, soll vor allem aus Sand bestehen. »Stimmt!«, gab Thöne gestern zu. »Aber mit Quacksalberei hat das nichts zu tun.«

Thöne hatte bereits Autopolituren und Unterwasseranstriche für Schiffe entwickelt, als er in den 90er Jahren für Schlagzeilen sorgte, indem er Neurodermitis-Patienten Linderung versprach. »Neuroskin« hieß sein Mittel, das aus Teerbaumöl und feingemahlenem Sand bestand und auf die Haut gesprüht werden musste. »Entscheidend für die Wirkung war das im Sand vorkommende Silizium, dass ich mit einem speziellen Verfahren so zerkleinert hatte, dass es von der Haut aufgenommen werden konnte«, erzählt der Forscher. Kranke berichteten damals von einer erfolgreichen Anwendung, doch die Bezirksregierung Detmold stoppte den weiteren Vertrieb, weil »Neuroskin« als Arzneimittel galt - und als solches keine Zulassung besaß.
Das jüngste Produkt des Tüftlers, dessen Firma »Nano« im lippischen Lage beheimatet ist, soll Spitzen- und Breitensportler fitter machen und heißt »Neosino«. Es wird von der »Neosiono Nanotechnologies AG« in Griesheim vertrieben, die im Januar an die Börse gegangen war. »Ich habe meine Idee und das weltweit patentierte Zerkleinerungsverfahren an das Unternehmen verkauft«, erklärte der Erfinder gestern. Laut Wertpapierprospekt der »Neosino« AG stehen Thönes Firma für den im Jahr 2005 vereinbarten Rechtetransfer 25 Millionen Euro zu, außerdem soll sein Unternehmen die Rohstoffe für »Neosino«-Produkte liefern.
Der Hauptbestandteil von »Neosino« sei, wie schon bei »Neuroskin«, feinst gemahlener Sand, sagte Thöne. »Und zwar so fein, dass Größenordnungen von wenigen Nanometern, also millionstel Millimetern, erreicht werden. So kann das etwa für die Knochen wichtige Silizium besser vom Körper aufgenommen werden.« Neben anderen vertreibt der FC Bayern München das Mittel seit geraumer Zeit in seinem Fan-Shop. 30 Kapseln zu je 0,75 Gramm kosten 24,95 Euro, auch in flüssiger Form ist der Stoff erhältlich. Die Hersteller-AG zitiert den Bayern-Stürmer Roy Makaay als »Neosino«-Anwender mit den Worten: »Ich bin nach dem Training nicht mehr so ausgepowert und fühle mich einfach schneller wieder fit.«
Die Kunden glaubten und kauften, denn der Kurs der »Neosino«-Aktie stiegt seit dem Börsenstart im Januar (125 Euro) auf nahezu 170 Euro im Februar - bis er in der vergangenen Woche auf 70 Euro stürzte. Denn das TV-Magazin »Panorama« hatte mit Bezug auf das Max Planck-Institut Potsdam berichtet, »Neosino« enthalte überhaupt keine Teilchen im Nanometer-Bereich. Prof. Markus Antonietti, der das Mittel untersucht hatte, erklärte gar, statt »Neosino« zu nehmen, könnten Sportler »auch den Staub vom Bolzplatz schlucken«.
Die Hersteller-AG und der Erfinder aus Lippe hielten gestern dagegen, sie besäßen Gutachten, die das Gegenteil bewiesen. Gerd Thöne meinte zudem, »Neosino« sei bewusst von Spekulanten schlecht gemacht worden, um den Kurs zu drücken und dann einzusteigen. Die AG hat inzwischen die Börsenaufsicht eingeschaltet.
Nano oder nicht - für Professor Dr. Knut Kleesiek, den Direktor des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin am NRW-Herzzentrum in Bad Oeynhausen, ist das ohnehin keine entscheidende Frage. »Ich würde in diesem Zusammenhang dem Begriff Nano eher eine Werbewirkung zuschreiben als einen medizinischen Effekt«, sagte er gestern. »Egal, wie groß ein Stoff ist, den wir aufnehmen: Er gelangt ohnehin erst ins Blut, wenn er im Verdauungstrakt in Flüssigkeit aufgelöst worden ist und als Molekül zur Verfügung steht.«

Artikel vom 14.03.2006