14.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schering hofft auf Hilfe gegen
Merck durch »weißen Ritter«

Darmstädter bieten knapp 15 Milliarden Euro -ÊSchering: »viel zu wenig«

Darmstadt (dpa/Reuters). Das Pharma- und Chemieunternehmen Merck rechnet damit, dass der Konkurrent Schering den Widerstand gegen seine geplante Übernahme aufgeben wird. »Wir haben die feste Erwartung, dass der Schering-Vorstand früher oder später die Attraktivität des Angebotes erkennt«, sagte Finanzchef Michael Becker gestern in Darmstadt.

Merck werde in jedem Fall an seinem Übernahmeangebot festhalten. Aus Gesprächen mit dem Schering-Großaktionär Allianz habe er den Eindruck, dass dieser die Bedenken des Berliner Unternehmens nicht teile. Schering hielt dagegen gestern am Widerstand gegen Merck fest. »Es gibt keine Verhandlungen mit Merck«, sagte ein Schering-Sprecher. Das Unternehmen habe mit starken Zuwächsen 2005 den Erfolg seiner Strategie bewiesen, die fortgesetzt werden solle. Der Aufsichtsratschef des Berliner Pharmakonzerns, Giuseppe Vita, erwartet sogar ein baldiges Gegenangebot zur Übernahmeofferte von Merck. Auf die Frage, ob es einen »Weißen Ritter« gebe, der mit einem Gegenangebot Schering gegen die Übernahmepläne von Merck verteidigen wolle, sagte Vita: »Noch nicht, aber ich denke, sie werden bald an unsere Tür klopfen.« Die von Merck gebotenen 77 Euro je Schering-Aktie seien zu wenig. »Ohne ein faires Angebot wird es schwer, Aktionäre zu überzeugen«, sagte Vita. »Es gab eine unabhängige Bewertung, die den Aktienpreis bei 90 bis 100 Euro sah, und das ohne eine Übernahmeprämie.«
Durch den Zusammenschluss der beiden Unternehmen entstünde ein globales Pharma- und Chemieunternehmen mit einem Jahresumsatz für 2005 in Höhe von 11,2 Milliarden Euro. Die beiden Firmen sind etwa gleich groß.
Merck selbst ist das älteste chemisch-pharmazeutische Unternehmen der Welt. Den Grundstein legte der Apotheker Friedrich Jakob Merck 1668 mit dem Kauf der kleinen Engelapotheke in Darmstadt. 1827 begann Nachfolger Heinrich Emanuel Merck mit der industriellen Produktion von Alkaloiden, einem hochwirksamen Pflanzeninhaltsstoff. Der Apotheker stellte Arzneimittelgrundstoffe her und belieferte Kollegen, Ärzte und Chemiker. 1860 produzierte Merck 800, um 1900 bereits 10 000 unterschiedliche Artikel. Nach dem ersten Weltkrieg wurden alle Auslandsvertretungen enteignet. Die US-Niederlassung Merck & Co. stellte sich daraufhin auf eigene Beine und ist seither ein unabhängiges Unternehmen.
Der drittgrößte deutsche Pharmakonzern Schering konzentriert sich auf vier Geschäftsbereiche: Gynäkologie und Andrologie (Frauen- und Männerheilkunde), Kontrastmittel, Spezial-Therapeutika für schwere Krankheiten und Onkologie (Tumorkrankheiten). Die wichtigsten Präparate sind das Multiple-Sklerose-Mittel Betaferon (867 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2005), die Anti-Baby-Pille Yasmin (586) und das Kontrastmittel Magnevist (328). Stark zulegt hat zuletzt auch der Umsatz der Hormonspirale Mirena (243).
Der im Dax notierte Berliner Konzern beschäftigt weltweit 24 600 Mitarbeiter. Institutionelle Investoren halten 68 Prozent der Anteile. Größter Einzelaktionär ist die Allianz mit 10 Prozent. Merck hält bereits 4,98 Prozent an Schering. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 14.03.2006