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Ein Medikament gegen Lepra bei Milosevic festgestellt

Der jugoslawische Ex-Präsident soll in Belgrad beigesetzt werden

Den Haag/Belgrad (dpa). Der am Samstag gestorbene jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic hat offenbar für ihn schädliche Arzneien eingenommen.
Wie gestern bestätigt wurde, haben Mediziner schon vor Wochen in seinem Blut Spuren eines Medikamentes gegen Lepra und Tuberkulose festgestellt. Dieses Mittel kann die Medizin gegen Bluthochdruck und Herzprobleme unwirksam machen, die Milosevic von seinen behandelnden Ärzten verschrieben wurde. Niederländische Mediziner hatten bei einer Obduktion am Sonntagabend einen Herzinfarkt als Todesursache festgestellt.
Der im UN-Kriegsverbrechergefängnis von Den Haag gestorbene Milosevic soll in Belgrad begraben werden. Das teilte der Anwalt der Familie Zdenko Tomanovic mit. Er habe die niederländischen Behörden um ein Visum für Milosevics Sohn Marko gebeten, der den Leichnam seines Vater in Empfang nehmen wolle. Offizielle Stellen in Belgrad wandten sich gegen jede Ehrenbezeugung für den früheren Staatschef.
Der Leichnam Milosevics befand sich gestern noch im gerichtsmedizinischen Institut in Den Haag. Nach der Obduktion sollen Laboruntersuchungen Auskunft darüber geben, ob sich im Körper Milosevics giftige Stoffe befanden. Wann die Ergebnisse vorliegen, war unklar.
Ein niederländischer Toxikologe, Donald Uges von der Universität Groningen, der vor Wochen Milosevics Blut untersucht hatte, bestätigte Berichte, dass es Spuren eines Antibiotikums zur Behandlung von Lepra und Tuberkulose enthalten habe. Milosevic litt an keiner dieser Krankheiten. Völlig unklar blieb, ob Milosevic das Lepra-Mittel freiwillig genommen hat und wie er es sich im Gefängnis hätte besorgen können.
Milosevic-Anwalt Tomanovic hat nach eigenen Worten bei einem Belgrader Gericht die Aufhebung des internationalen Haftbefehls gegen die Milosevic-Ehefrau Mirjana Markovic beantragt, damit sie an der Beerdigung teilnehmen kann. Eine Gerichtsentscheidung wird für heute erwartet.
Als wichtige Voraussetzung dafür stimmte gestern die Staatsanwaltschaft der Aufhebung einer angeordneten Untersuchungshaft und des internationalen Haftbefehls zu. Markovic ist wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Gleichzeitig wird sie im Zusammenhang mit dem Mord an Ivan Stambolic, einem Gegner ihres Mannes, gesucht. Ein Gericht hatte festgestellt, dass ihre Familie hinter diesem Auftragsmord im Jahr 2000 steht.
In Belgrad entbrannte ein Streit um den Rahmen der Trauerfeier. Die Stadtverwaltung lehnte die Beerdigung in einem Ehrengrab ab, wie es von den Milosevic-Sozialisten verlangt worden war.
Der Oberste Verteidigungsrat untersagte als Oberbefehlshaber der Armee von Serbien-Montenegro, an der Bestattung in irgendeiner Form teilzunehmen. Die Sozialisten, von denen der Bestand der serbischen Republiksregierung abhängt, hatten eine Beerdigung mit allen staatlichen Ehrenbezeugungen gefordert.
Der ebenso wie die Witwe in Moskau lebende ältere Bruder von Milosevic, Borislav, wurde in der Nacht zum Montag wegen Herzproblemen in ein Spezialkrankenhaus gebracht. Er sagte, er werde derzeit im Bakulew-Herzzentrum untersucht.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow verlangte eine Beteiligung Moskauer Ärzte an den Forschungen zur Todesursache Milosevics. Er bestätigte zugleich, dass Milosevic das russische Außenministerium in einem Brief vom 8. März drei Tage vor seinem Tod um Hilfe gebeten habe.
»Er äußerte in dem Schreiben die Besorgnis, dass einige medizinische Behandlungen, die ihm von Ärzten des Internationalen Jugoslawien-Tribunals verabreicht worden seien, für seine Gesundheit verhängnisvoll seien«, sagte Lawrow weiter.

Artikel vom 14.03.2006