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Ex-Freund fand
die toten Babys

Festgenommene ist geistig verwirrt

Stendal (dpa). Leichname getöteter Babys in Mülltonnen, Blumenkästen oder - wie nun im jüngsten Fall in Sachsen-Anhalt - in Stoffbeuteln versteckt und aufbewahrt: Mehrfach haben solche Fälle in den vergangenen Monaten die Menschen in ganz Deutschland schockiert.

Nach dem Fund der drei skelettierten Babyleichen auf dem Dachboden eines Hauses im winzigen Ort Neuendorf am Damm bei Stendal ermittelt die Staatsanwaltschaft nun wegen Totschlags gegen die Mutter. Allerdings, sagte die Stendaler Leitende Oberstaatsanwältin Uta Wilkmann, müsse wohl von deren eingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen werden. Die 36 Jahre alte Frau mache einen geistig verwirrten Eindruck. Wegen Verdachts auf eine erhebliche psychische Störung wurde sie in das Landeskrankenhaus nach Uchtspringe gebracht.
»Wir gehen davon aus, dass die Kinder lebend zur Welt gekommen sind und dann umgebracht wurden«, gab Staatsanwältin Wilkmann gestern erste Ermittlungserkenntnisse bekannt. Vermutlich sei dies alles bereits geschehen, bevor die Frau 2001 in das Haus gezogen war, wo die stark verwesten Leichen am Samstag auf dem Dachboden entdeckt wurden.
Es sei der seit Oktober 2005 getrennt von der 36-Jährigen lebende Mann gewesen, der dort eine mit Klebeband umwickelte Plastikfolie entdeckte, aus der unangenehmer Geruch entwich. Der Mann habe, so die Staatsanwältin weiter, die 36-Jährige darauf angesprochen. Die sei umgehend auf den Boden geeilt, mit einer Tasche wieder heruntergekommen und habe diese in eine Mülltonne geworfen. Als der Mann nachschaute und die Tasche öffnete, machte er den grauenhaften Fund.
Die Polizei, vom Mann informiert, fand danach die beiden weiteren Leichen. Ob der ehemalige Lebensgefährte der Mutter auch der Vater der toten Babys ist, sei noch unklar. Ihm seien keine weiteren Schwangerschaften bekannt, sagte er. Die 36-Jährige und ihr ehemaliger Freund haben einen gemeinsamen zweijährigen Sohn, außerdem hat die Frau noch einen 17-jährigen Sohn aus erster Ehe.
»Was diese Fälle verbindet, ist ein schreckliches Schicksal für die Kinder und große Verzweiflung der Eltern«, sagt Katharina Abelmann-Vollmer, Fachreferentin für Gewalt gegen Kinder beim Kinderschutzbund, zu den Kindstötungen. In vielen Fällen sei die Notlage, etwa wegen wirtschaftlicher Probleme, früh auch für andere zu erkennen. Der Kinderschutzbund mache sich deshalb dafür stark, dass sich Eltern nicht alleine gelassen fühlen. Abelmann-Vollmer: »Sie müssen so viel Vertrauen in ihr Umfeld haben, dass sie sich Hilfe holen.«

Artikel vom 14.03.2006