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Die Scheichs rüsten auf
Luftfahrt-Kongress auf der ITB: Standort Deutschland legte 2005 zuNicht nur die Ankündigung des Börsengangs von »Air Berlin« sorgte auf der ITB für Aufsehen. Dass die Airline zudem nun auch in gewohnt preisaggressiver Manier zwischen den Bankenmetropolen Frankfurt und Zürich verkehrt und dazu den Rhein-Main-Flughafen nutzt, wurde möglich, weil die Wettbewerbshüter den Zusammenschluss von »Lufthansa« und »Swiss« nur unter der Auflage genehmigten, Wettbewerb auf den Strecken zwischen Deutschland und der Schweiz zuzulassen. Auch »Lufthansas« Billig-Ableger »Germanwings« machte in Berlin von sich reden: Mit dem neuen Ziel St. Petersburg unterstreicht die in Köln beheimatete Airline ihre Stellung als Platzhirsch auf dem Markt der Osteuropa-Verbindungen.
Für Kopfschütteln sorgten allerdings die Investoren der Start-up-Gesellschaft »Munich Airlines«: Sie will ab Juni nonstop von München nach Bermuda fliegen - die 166 Sitze an Bord zählen alle zur Business Class. Die dafür benötigte Lockheed TriStar wurde in Jordanien gechartert und hat bereits 23 (!) Jahre auf dem Buckel.
Immer deutlicher zeigt sich, dass die großen westeuropäischen Drehkreuze Frankfurt, London und Paris sowie die asiatischen »Hubs« Singapur und Bangkok im weltweiten Luftverkehrsgeschehen Gefahr laufen, erhebliche Marktanteile zu verlieren. Möglich machen es neue Langstrecken-Jets, die größere Distanzen überwinden können - und das immense finanzielle Potenzial der ölreichen arabischen Staaten. Allen voran Dubai und Qatar streben nichts Geringeres als die »Weltherrschaft« in der Branche an, koste es, was es wolle. »Da ist viel, manchmal zu viel Testosteron im Spiel«, sagte der frühere Boeing-Chef Harry Stonecipher Anfang 2005 nicht ohne eine Spur von Sarkasmus, denn die Scheichs »fliegen« geradezu auf den neuen Super-Airbus A380.
Fakt ist, dass die neueste Generation von Langstrecken-Jets sowohl nonstop von Dubai und Doha nach New York als auch nach Sydney fliegen kann. Damit werden die Zwischenlandungen in Europa oder Südostasien hinfällig. Auch verkürzt sich die Reise von Europa nach Australien durch das Umsteigen am Persischen Golf merklich, weil der »Umweg« über Südostasien oder die amerikanische Westküste entfällt.
Mit stolz geschwellter Brust verkündeten die Manager von »Emirates«, dass im Einzugsgebiet ihrer Nonstopflüge nicht weniger als 5,4 Milliarden Menschen wohnen. Den Verdacht, Kerosin zu Vorzugspreisen zu erhalten, weisen sie zurück - »wir zahlen die üblichen Marktpreise«, so »Emirates«-Europa-Manager Keith Longstaff. Geringere Arbeitslöhne und das Fehlen von Gewerkschaften erlauben allerdings andere Kalkulationen, und so gelten die Margen der Airline branchenweit als »absolut traumhaft«. Das Ziel ist jedoch eindeutig: »Wir wollen die globalen Verkehrsflüsse neu ordnen, und zwar zu unseren Gunsten. An den großen Luftfahrt-Allianzen beteiligen wir uns gar nicht erst, weil wir dort nicht die zweite Geige spielen wollen«, so Longstaff beim Luftfahrt-Kongress der ITB. Bis Ende 2007 werden an »Emirates« jeden Monat zwei neue Flugzeuge ausgeliefert. Gleiches gilt für »Etihad«, die Linie aus Abu Dhabi.
Nachfragegerechter Ausbau der 19 internationalen und 39 regionalen Verkehrsflughäfen in Deutschland ist für Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee eine unerlässliche Voraussetzung, um nicht nur in der weltweiten Luftfahrt weiterhin ein gewichtiges Wörtchen mitzusprechen, sondern auch die deutsche Wirtschaft zu stärken. Dies gelte sowohl für die Passagierflüge wie auch die Frachtbeförderung. Der Luftverkehrsstandort Deutschland legte 2005 zu: Das Passagieraufkommen an den internationalen Airports stieg um 6,3 Prozent. Erfreuliches gibt es in dieser Hinsicht auch aus heimischen Gefilden zu vermelden: Der Ostwestfalen-Airport in Paderborn mit seiner exzellenten Anbindung an England bescherte dem Paderborner Land einen neuen Quellmarkt.Thomas Albertsen

Artikel vom 18.03.2006