14.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Napoleon der Planche

Emil Beck erlag am Sonntag einem Herzinfarkt

Von Oliver Kreth
Tauberbischofsheim (WB). Der erfolgreichste Bundestrainer aller Zeiten ist tot. Emil Beck, bis 1999 gewannen seine Athleten 20 olympische und 91 Weltmeisterschafts-Medaillen, erlag 70-Jährig in seinem Haus in Tauberbischofsheim einem Herzinfarkt.

Neben Karl Adam (Rudern) und Gustav Kilian (Bahnrad) ist er einer der großen Autodidakten des deutschen Sports. 1952 begann der steile Aufstieg des Fecht-Napoleons in einem Heizungskeller. Der gelernte Friseurmeister revolutionierte das Fechten, indem er das Training neu gestaltete. Beck hatte die einzelnen Bestandteile des Planchen-Sports wie in einem Baukastensystem zusammengesetzt und immer wieder drillen lassen. Von einfachen zu komplexen Kombinationen, bis Sturzangriff (Fleche), das Vortäuschen eines Stoßes (Finte), die Parade, Quart, Quint, Sixt und Oktav völlig automatisiert waren.
Und der sportliche Erfolg gab ihm Recht. 1973 wurde sein Degenteam erstmals Weltmeister, 1975 folgte Alexander Pusch mit WM-Einzelgold, 1976 wurde die Männerflorett-Mannschaft (mit dem aktuellen IOC-Vizepräsidenten Thomas Bach) und Pusch Olympiasieger. 1988 schrieb Beck mit seinen Florett-Frauen Fechtgeschichte. Sie holten, angeführt von Anja Fichtel, bei Olympia in Seoul alle Medaillen.
Der Neid auf den kleinen, großen Mann wurde gewaltig, dokumentiert durch einen Witz, der in der Branche kursierte: Warum wird in Tauberbischofsheim am Montag nicht trainiert? Friseure haben schließlich an diesem Tag frei.
Gerne ließ er sich mit Ministerpräsidenten und Kanzlern fotografieren, sein Wort war in dem von ihm gegründeten Olympiastützpunkt Gesetz. Kritiker wurden degradiert oder aus ihrem Amt beseitigt. Beck fühlte sich allmächtig. Stolz erzählte er, dass »die Franzosen mich für einen Halb-Gott halten«.
2000 bröckelte die Medaillen-glitzernde Fassade des Mannes, der sich aus ärmlichsten Verhältnissen nach oben gekämpft hatte. Es wurde bitter für Beck. Nach internen Querelen musste er zurücktreten. Seit 2001 erlebte er sein Waterloo. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelte wegen des Verdachts der Untreue und Urkundenunterdrückung.
Seinen 70. Geburtstag feierte er im vergangenen Juli deshalb auch nur mit Frau Karin und seinen zwei erwachsenen Söhnen. »Es tut schon weh, wenn man von der Öffentlichkeit und den Medien vorverurteilt wird. Das habe ich nicht verdient«, sagte er damals. Dass es nach fünf Jahren Ermittlungen zum Prozess gegen ihn kommen sollte, traf Beck schwer, doch er schwieg zu den Vorwürfen: »Ich will keine Abrechnung. Ich will meinen Frieden.«
Den hat er jetzt gefunden, und die Trauer in Tauberbischofsheim ist groß. Vor allem bei seinen ehemaligen Fecht-Schülern. »Ich war im ersten Moment richtig wütend, weil die Leute hier erst jetzt merken werden, dass er viel für Tauberbischofsheim getan hat und nicht nur etwas verbrochen haben soll«, sagte Anja Fichtel, die vor ihm nach Österreich geflohen war. Aber die Zeit und Becks Tod verklären. »Ich wäre lieber auf der Bahn gestorben, als mit ihm im Rücken ein Gefecht zu verlieren«, sagte sie und sprach damit die Motivationsfähigkeiten des Autoritären an. »Wir hatten Zoff, aber ich habe gewusst, er würde sich für mich zerreißen.«
Tief betroffen äußerte sich auch Thomas Bach. »Er war eine charismatische Persönlichkeit, die keinen gleichgültig ließ«, sagte Bach. »Seine Lebensleistung ist herausragend, er hat den Fechtsport und seine Heimatstadt positiv verändert, und das wird noch lange nachwirken.«

Artikel vom 14.03.2006