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Vom Tennisplatz in den Hörsaal

Von Phillip Gätz
Sein Zuhause waren bislang die Tennisplätze der Welt. Nun wird Christopher Koderisch China, Dubai & Co. gegen die Hörsäle und Seminarräume im Bielefelder Uni-Gebäude eintauschen. Der 21-jährige Lemgoer hängt seine Karriere als Profi-Tennisspieler vorerst an den Nagel und widmet sich künftig den Wirtschaftswissenschaften.

Anfang September wird es für den Tennisspieler in Sachen Wirtschaft richtig los gehen. Vorbei sind dann die Zeiten, in denen Christopher Koderisch bis zu fünf Mal die Woche jeweils fast sechs Stunden am Tag den gelben Ball über den Court drosch.
Was nicht heißen soll, dass sich seine zahlreichen Stunden auf dem Platz nicht ausgezahlt hätten: Europameister mit der U 14-Mannschaft, deutscher U 12-Jugendmeister im Einzel und U 16- und U 18-Meister im Doppel. Dazu noch haufenweise Pokale. So lautet die bisherige Erfolgsbilanz des 21-Jährigen, dessen sportliche Karriere schon früh begonnen hat. »Seit dem ich laufen kann, spiele ich Tennis.«
Nachdem er schon beim Deutschen Tennisbund in Hannover trainiert hatte, beendete Christopher mit 16 Jahren seine schulische Laufbahn an einem Lemgoer Gymnasium - und dann rückte die Stadt Halle für ihn zunehmend in den Vordergrund. »Denn ich wurde im Haller Breakpoint-Team aufgenommen.« Das Breakpoint-Team ist eine Talentschmiede für junge Spieler aus aller Welt und bietet mit dem angeschlossenen Tennis-Gelände rund um die Gerry Weber Open ideale Trainingsbedingungen. Davon profitierte auch Chris-topher Koderisch.
Mit 17 Jahren stand der Profi schon auf Platz 590 der ATP-Weltrangliste und reiste um den Globus. »Turniere in China, Dubai oder USA waren keine Seltenheit.« Doch nachdem Koderisch 2004 eine Wildcard für die Haller Gerry Weber Open erhalten hatte und in der ersten Runde gescheitert war, kamen die ersten Gedanken auf, was zu tun sei, wenn es mit der Karriere nicht mehr steil bergauf gehen sollte. Noch vor Ort, als er mit Rogerer Federer, der aktuellen Nummer eins der Tennisrangliste trainierte, beschäftige sich Koderisch immer mehr mit dem Gedanken, sich aus dem Tennis-Zirkus zurückzuziehen und sich um ein berufliches Ass im Ärmel zu kümmern. »Sonst stehst du Mitte 20 plötzlich ohne etwas in der Hand da.« Immerhin hat Koderisch schon einige Karrieren den Bach runtergehen sehen. »In Sachen Preisgeld macht man an meiner Stelle sogar noch Verlust. So richtig lohnt es sich erst, wenn man unter den Top 200 steht.«
Als Bundesliga-Spieler für TC Blau-Weiß Halle und mit diversen Preisgeldturnieren in NRW finanziert sich Koderisch zur Zeit sein Leben und künftig das Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft. »Da kannst du bis zu 1000 Euro an zwei Tagen machen.« So sind Studiengebühren für Chris-topher Koderisch auch kein großes Thema, denn er gehört zu den Wenigen, die mit ihrem Hobby ohne Probleme den Semesterbeitrag für ein Jahr zusammenspielen.
Wirtschaft hat ihn schon immer interessiert: »Mein Vater ist Oberstudienrat an einer kaufmännischen Schule. Nach meinem Abschluss an der höheren Handelsschule in Halle bietet sich der Studiengang Wirtschaftswissenschaften gut an.«
Gern hätte er auch Sportmanagement an der Uni studiert. Doch das Abitur nachzuholen, das war und ist zeitlich einfach nicht drin. »Ich trainiere immer noch zwei Stunden am Tag und mache zurzeit im Haller Sportpark das erforderliche Fünf-Monats-Praktikum für die Fachhochschule.«
Christopher Koderisch hat sich schon schlau gemacht, wie es denn mit einer Uni-Tennismannschaft in Bielefeld aussieht. Denn für ihn ist noch langst nicht Schluss: »Nach dem Diplom könnte ich mir schon vorstellen, wieder anzugreifen.«

Artikel vom 04.04.2006