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Wenn Kamine und Speicher zur »Bärenhöhle« werden

Waschbären sind längst heimisch in OWL - raffinierte nachtaktive Nager

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Waschbären sind im Anmarsch. Im Kreis Höxter wurden 2005 mit 1721 schon mehr tote Tieren gezählt als in Kassel Stadt und Land, der »Waschbären-Hauptstadt« Deutschlands.
Häuser sind nur aufwändig vor ungebetenen Mitbewohnern zu schützen.

In Kassel-Wilhelmshöhe kommt auf drei Hausgärten bereits ein Waschbär. So die auf Funkhalsbänder gestützten Beobachtungen des führenden deutschen Wildbiologen Ulf Hohmann. In Vorstädten fühlen sie sich besonders wohl, finden reichlich Nahrung und besiedeln selbst bewohnte Gebäude, Kamine und Gartenhäuser.
Nur als Jungtiere seien sie possierlich, warnt Hohmann vor falschem Zutrauen. Geschlechtsreif kratzten und verbissen sie selbst menschliche Pflegeeltern. Der Biologe warnt dringend davor, den Tieren Futter anzubieten. »Das spricht sich unter den Artgenossen herum.« Kamine und Dachböden könnten schnell zu »Bärenhöhlen« werden. Den klugen Räubern nachzustellen sei fast unmöglich. Vergleichsuntersuchungen in Kassel und Hannoversch Münden zeigten, dass das Bejagen nur zu erhöhter Trächtigkeit der Fähen genannten Weibchen führe. Notwendige Klettersperren und radikale Baumschnitte verursachten erhebliche Kosten. In »Waschbärvierteln« seien Mülltonnen mit Spanngummis gesichert.
In den Kreisen Paderborn und Lippe hat sich der Bestand in zehn Jahren vervierzehnfacht. Nach Angaben des Landesamtes für Ernährungswirtschaft in Düsseldorf wurden hier zuletzt 468 bzw. 476 geschossene und überfahrene Tiere gemeldet. Die äußerst scheuen, nachtaktiven und ausgesprochen raffinierten Kletterer sind dagegen im Kreis Minden-Lübbecke sowie in weiten Teilen des Münsterlandes so gut wie unbekannt.
Die bundesweit mehr als 100 000 Nachfolger von wenigen 1934 am Edersee und bei Berlin ausgewilderten Tieren verbreiten sich nach Hohmanns Forschungen schubweise. Danach könnte ein erhebliche Zunahme entlang Egge und Teutoburger bevorstehen.
In Wohngegenden mit großen Gärten oder Streuobstwiesen ist die Siedlungsdichte zehnmal höher als beispielsweise in der Senne, wo kleine Waschbär-Gruppen in alten Eichen leben und 50 bis 100 Hektar große Reviere durchstreifen. Auch Jäger und Förster bekommen die Allesfresser in freier Wildbahn nur äußerst selten zu Gesicht. Kratzspuren und Verkehrsopfer sind selbst für die Experten oft der einzige Hinweis.

Artikel vom 15.03.2006