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Chaos und Gewalt in Nahost

Israelischer Angriff auf Gefängnis in Jericho - Mehrere Ausländer entführt

Jericho/Gaza (Reuters/dpa). Bei gewalttätigen Protesten gegen einen israelischen Angriff auf ein palästinensisches Gefängnis in Jericho haben palästinensische Extremisten gestern mehrere Ausländer entführt und fliehende Ausländer unter Beschuss genommen. Ergab sich: Extremistenführer Ahmed Saadat.

Der in Jericho inhaftierte Palästinenserführer Ahmed Saadat und mehrere Gefolgsleute haben sich gestern Abend nach einer dramatischen Eskalation der Gewalt den israelischen Soldaten ergeben. Die Armee hatte das palästinensische Gefängnis in Jericho seit dem Morgen belagert und mit Panzern und Hubschraubern angriffen, um die wegen des Mordes an dem israelischen Tourismusminister Rechwam Seewi im Jahr 2001 gesuchten Männer aus der Haft in die Gewalt des Militärs zu bringen.
Aus Protest gegen den Einsatz und einen Abzug internationaler Beobachter aus der Haftanstalt verschleppten militante Palästinenser mindestens neun Ausländer und attackierten europäische Büros im Gazastreifen.
Bei dem Einsatz töteten Soldaten mindestens drei Palästinenser, darunter zwei Polizisten. Soldaten feuerten aus Panzern und von Hubschraubern aus auf das Gefängnis im Westjordanland, um die Inhaftierten zur Aufgabe zu zwingen. Bulldozer begannen mit dem Abriss. Israel begründete den Einsatz mit einer Ankündigung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Saadat könne freikommen.
Saadat war in dem Gefängnis in Jericho seit 2002 auf Basis einer Übereinkunft festgehalten, die eine Belagerung des Hauptquartiers des damaligen Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat in Ramallah beendet hatte. Saadat ist Generalsekretär der radikalen Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), sie sich zu dem Mord an Seewi bekannt hatte.
Die PFLP teilte am Nachmittag in Gaza mit, sie habe zwei französische Ärztinnen von »Ärzte der Welt«, eine US-Bürgerin, einen Australier und einen Mitarbeiter des Roten Kreuzes aus der Schweiz in ihrer Gewalt. Kurz danach verschleppten Bewaffnete vier weitere Ausländer aus einem Hotel. Demonstranten verwüsteten zudem in Gaza ein britisches Kulturzentrum und steckten es in Brand. Auch die bereits geschlossene Vertretung der Europäischen Union und ein französisches Kulturzentrum wurden attackiert. Mehrfach wurde das Feuer auf Autos eröffnet, in den Ausländer unterwegs waren.
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, verurteilte die israelische Militäraktion scharf. Gleichzeitig erhob er schwere Vorwürfe gegen die USA und Großbritannien. »Der Abzug der internationalen Beobachter aus der Region vor der Militäroperation wirft die Frage auf, ob da nicht vorab eine Abstimmung zur Vorbereitung dieser Aggression stattgefunden hat«, erklärte Mussa in Kairo.
Die britische Regierung verteidigte den Abzug. Die Palästinenserbehörde habe ihre Verpflichtung hinsichtlich der Sicherheit der internationalen Beobachter nie erfüllt, sagte Außenminister Jack Straw.
Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ließ erklären, er mache Großbritannien und die USA für das Wohlergehen von Ahmed Saadat verantwortlich. Auch er warf den USA und Großbritannien vor, den Abzug ihrer Beobachter mit Israel koordiniert zu haben. Er habe Kontakt zu UN-Generalsekretär Kofi Annan und zu arabischen Regierungschefs aufgenommen, damit die Intervention Israels beendet werde.

Artikel vom 15.03.2006