16.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Als Unternehmer und Segler immer hart am Wind

Computerpionier Heinz Nixdorf aus Paderborn starb vor 20 Jahren

Von Bernhard Hertlein
Paderborn (WB). Im Frühjahr 1952 fährt ein 27-jähriger Studienabbrecher auf seinem Moped, einer NSU Quick, durch Nordrhein-Westfalen und sucht Abnehmer für seinen ersten Elektronenrechner. Der Einkäufer von RWE ist als erster überzeugt. In einer Kellerwerkstatt in Essen bringt Heinz Nixdorf seine Idee zu Ende.

Später kehrte Nixdorf, dessen erste Firma »Labor für Impulstechnik« hieß, in seine Heimatstadt Paderborn zurück. Das Unternehmen, das er dort zügig zum Weltunternehmen ausbaute, prägte an vorderster Stelle das Bild vom »deutschen Wirtschaftswunder«. In diesen Tagen jährt sich zum 20. Mal sein Todestag. Am 17. März 1886 wurde Heinz Nixdorf auf der allerersten CeBIT-Computermesse in Hannover durch Herzschlag mitten aus dem Leben und der Arbeit gerissen.
Konrad Zuse, der Erfinder des ersten funktionstüchtigen Computers, schrieb einmal über den Paderborner: »Was Nixdorf angeht, so weiß ich heute, dass er in mancher Hinsicht das erreicht hat, was mir nicht gelungen ist, nämlich aus kleinen Anfängen eine leistungsfähige deutsche Computerfirma aufzubauen.«
Die Bewunderung wird noch größer, wenn man seine Herkunft bedenkt. Am 9. April 1925 als ältestes von fünf Geschwistern in Paderborn geboren, zog die Familie schon kurze Zeit später ins sächsische Torgau um. Während der Weltwirtschaftskrise wurde der Vater, ein Handelsvertreter, arbeitslos. Zurückgekehrt nach Paderborn fand er zwar eine Anstellung als Hilfsbetriebswart bei der Reichsbahn. Doch dem begabten Sohn den Besuch des Gymnasiums finanzieren, das konnte sich die Familie nicht leisten. Zum Glück erhielt Nixdorf 1939 ein Stipendiat an einer Schule in Vallendar. Nach Kriegsdienst in der Artillerie und Rückkehr in die Heimat konnte er 1947 in der Paderstadt das Abitur am Reismann-Gymnasium nachholen.
In Frankfurt studierte Nixdorf anschließend angewandte Physik und Betriebswirtschaft. Nach einem Praktikum bei der Remington Rand beendete er das Studium vorzeitig und wird im Alter von 27 Jahren Unternehmer. Trotz einiger Patente, die er erwarb, wird man Heinz Nixdorf nicht gerecht, wenn man ihn nur als Tüftler charakterisiert. Von Anfang an hatte er vor allem den Kundennutzen im Blick. Auf ihn waren die Produkte, die Herstellungsmethoden und die Vertriebsabläufe ausgerichtet. Zugleich war Nixdorf auch als Kaufmann ein Mann der Zahlen, der mit seinem Detailwissen auch Experten immer wieder überraschte.
1959 verlegte Nixdorf den Firmensitz nach Paderborn. Im Jahr darauf heiratete er. Wieder ein Jahr später begannen die Bauarbeiten in der Pontanusstraße. 1962 stellte Nixdorf selbst den Mann ein, der, damals Werkzeugmacher, heute als Vorstandsvorsitzender der Wincor Nixdorf AG seinem Namen weiter Glanz gibt: Karl-Heinz Stiller.
Mit dem Kleincomputer »System 820« landen die Paderborner ab 1964 bei kleinen und mittelständischen Unternehmen einen Riesenerfolg. 1968 übernahm Nixdorf den Kölner Büromaschinen-Hersteller Wanderer. Danach begann die wirtschaftlich erfolgreichste Zeit -Êmit Zuwachsraten von durchschnittlich 20 Prozent bis 1985. Nixdorf stieg zur Nummer 4 und der weltweit größten Computerherstellern auf. Zwischendurch entstanden am Oberen Frankfurter Weg (heute: Heinz-Nixdorf-Ring) neue, hochmoderne Fertigungsstätten. 1986, dem Todesjahr des Gründers, erzielte die seit zwei Jahren börsennotierte Nixdorf Computer AG mit 25 500 Mitarbeitern in 44 Ländern einen Umsatz von 4,5 Milliarden DM.
Manche lasteten Nixdorf nach seinem Tod an, er habe die Bedeutung des Personal Computer nicht erkannt. Kann sein; es ist müßig, darüber zu spekulieren, dass er die Krise vielleicht doch schneller erkannt und das Ruder herumgeworfen hätte als seine Nachfolger. So jedenfalls ging Nixdorf Computer 1990 in der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG auf.
Heute, da manche Investorengruppen nicht von ungefähr als »Heuschrecken«Êtituliert werden, erinnert man sich an Heinz Nixdorf auch als einen, der die Schaffung von Arbeitsplätzen stets als wichtigste Aufgabe eines Unternehmers bezeichnet hat. Ein Zitat aus seinem Todesjahr klingt wie ein Vermächtnis: »Vor dem Himmel kommt das Leben auf Erden, und da gilt es, eine soziale Gesellschaft aufzubauen.« Aus dem Nachlass des Ludwig-Erhard-Preisträgers für soziale Markwirtschaft gingen unter anderem die die Heinz-Nixdorf-Stiftung (unter anderem zur Förderung von beruflicher Bildung und Wissenschaft), die Stiftung Westfalen und das Heinz Nixdorf Museumsforum (HNF). Das Heinz-Nixdorf-Institut erinnert an die Verdienste des Namensgebers für die Universität Paderborn. Auch der Flughafen der Paderstadt, das Stadion Ahorn-Sportpark und vieles mehr wären ohne den Einsatz von Heinz Nixdorf nicht gebaut worden.
Und als ob das noch nicht genug gewesen sei, steuerte der Unternehmer auch noch als Segler auf Erfolgskurs. Noch im Alter von 60 Jahren gehörte er in der olympischen Starboot-Klasse zur internationalen Spitze. Er ermöglichte der Deutschland-Crew, dass sie auch im Winter auf Mallorca trainieren konnte. In Paderborn stellte er 1979 den Zehnkampf-Weltrekordler Kurt Bendlin als Sportchef ein. Mehr noch: Die Auszubildenden der Nixdorf AG erhielten wöchentlich zwei freie Stunden, um sich sportlich zu betätigen.

Artikel vom 16.03.2006