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Zwanziger macht Druck

Klinsmann soll Präsenz zeigen und kritisiert die Kritiker

Berlin (dpa). Drei Monate vor dem WM-Start hat DFB-Präsident Theo Zwanziger seinen wichtigsten Angestellten Jürgen Klinsmann so stark wie nie zuvor unter Druck gesetzt - der Bundestrainer entschuldigte sein heftig kritisiertes Fernbleiben beim FIFA-Workshop erstmals mit »privaten Gründen«.

Die Sorge um seine Mutter Martha hätte ihn zur Absage seiner Teilnahme in Düsseldorf bewegt. »In dieser Woche war der erste Jahrestag des Todes meines Vaters, und ich hatte meiner Mutter schon lange versprochen, dass wir diese für sie schweren Tage in dieser Woche gemeinsam in Kalifornien verbringen«, sagte Klinsmann gestern nach seiner Rückkehr in Deutschland.
Zwanziger hat Klinsmann indes aufgefordert, bis zur Fußball-WM mehr Zeit als bisher in Deutschland zu verbringen. »Er muss näher und regelmäßiger bei der Mannschaft sein. Er muss in Deutschland präsenter sein. Das kann ich erwarten«, erklärte Zwanziger. Der DFB-Chef wertete Klinsmanns frühere Anreise zum Länderspiel am 22. März in Dortmund gegen die USA als »gutes Zeichen«: »Ich werde mit ihm noch ein internes Gespräch führen.«
Klinsmann habe vor der WM eine Position, die vergleichbar ist mit der der Bundeskanzlerin, sagte Zwanziger: »Und ich denke, dass Klinsmann das jetzt auch gemerkt hat.« Wenn nicht, komme er nicht daran vorbei, »diese Präsenz einzufordern«, betonte der Präsident. Dies würde auch der Vertrag von Klinsmann zulassen: »Der Inhalt entspricht durchaus der Lage und den Wünschen der Nation. Ganz so schlafwagenhaft sind wir beim DFB nun auch wieder nicht.«
Der Bundestrainer wehrte sich gegen die »völlig unbegründete und falsche« Kritik: »Was sich in der letzten Woche abgespielt hat, war jenseits von gut und böse. Das hatte überhaupt nichts mit Fußball zu tun, sondern ging rein ins Persönliche. Da waren ein paar Dinge unter der Gürtellinie.«
Vor allem Vorwürfe wie von Franz Beckenbauer, er sei der Rolle als Gastgeber nicht gerecht geworden, hätten ihn hart getroffen. »Ich war in den letzten 15 Jahre immer für den deutschen Fußball unterwegs«, sagte der ehemalige DFB-Kapitän mit dem Hinweis auf Reisen nach Südafrika, Israel, für die WM-Bewerbung oder jüngst in den Iran.
Zwanziger will dem Bundestrainer »mit Überzeugungskraft« klar machen, dass die Nähe zu den Fans für ein erfolgreiches WM-Abschneiden der DFB-Elf nötig ist. Klinsmann müsse an den Wochenenden bis zum WM-Start in den Stadien sitzen. Gestern beobachtete Klinsmann die Partie FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt.
Kurz vor dem Anpfiff in der Arena legte Klinsmann im ZDF noch einmal nach: »Wo sitzen unsere Gegner eigentlich, in Brasilien - oder sind unsere Gegner in Deutschland, die uns nichts mehr gönnen?« Er kündigte ein Gespräch mit dem ausgemusterten Christian Wörns an. Eine Rückkehr des Dortmunders in den WM-Kader sei aber ausgeschlossen. Dann stellte er weiter klar: »Mein Lebensmittelpunkt ist seit dem 27. Januar 2006 Deutschland. Ich werde mir aber die Freiheit und immer mal wieder zu meiner Familie nach Kalifornien fliegen.«

Artikel vom 13.03.2006