14.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Musikalische Eigentore und
ein akustischer Volltreffer

Jack White, Udo Jürgens und Stefan Raab: WM-Songs haben Tradition

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Sicher ist: Hätte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei allen Weltmeisterschaften so schlecht gespielt, wie sie gesungen hat, sie hätte nie und nimmer drei Mal den Pokal gewonnen.
Unter starkem Erwartungsdruck: Herbert Grönemeyer.

Jedenfalls nicht 1974 und auch nicht 1990. Es grenzt sowieso an ein Wunder, dass den Deutschen diese beiden Titel wegen schwerer Verbrechen am guten Musikgeschmack nicht noch nachträglich aberkannt wurden.
Kein Wunder, dass musikinteressierte Fußballanhänger hierzulande anno 2006 riesige Hoffnung in Herbert Grönemeyer setzen. Das Verlangen nach einem guten deutschen WM-Song ist fast genau so groß wie das nach dem WM-Titel selbst. »Celebrate the day« wird Grönemeyers WM-Hymne heißen. Aber warum denn nur ein englischer Titel? Nach der Vorstellung von FIFA-Präsident Joseph Blatter soll der Song »für eine enge emotionale Bindung zwischen Teams, Fans und der WM sorgen«.
So ähnlich wird sich das auch Horst Nussbaum, besser bekannt als Jack White, gedacht haben, als er 1974 mit »Fußball ist unser Leben« sozusagen die Mutter aller deutschen WM-Songs komponierte. Seine Plattenfirma »White Records« hat bereits den Remix 2006 auf den Markt gebracht.
1978 wurde Udo Jürgens vom Deutschen Fußball-Bund beauftragt, die DFB-Kicker an die Spitze der Charts zu trällern. Sportlich enttäuschten die Deutschen, »Buenos dias, Argentina« gilt bis heute als das erfolgreichste Lied in der Geschichte singender deutscher Nationalkicker.
Fußballerisch ging es bei den beiden nächsten Turnieren mit zwei Vizetiteln wieder aufwärts, musikalisch dagegen dramatisch bergab. Weder Michael Schanzes »Olé España« (1982) noch Peter Alexanders »Mexico, mi amor« (1986) trafen den Nerv der Hörer. Also wurde für das Turnier in Italien 1990 Udo Jürgens reaktiviert. Mit dem geistreichen »Wir sind schon auf dem Brenner, wir brennen schon darauf« schickte er das Team über die Alpen. Deutschland wurde Weltmeister.
»Far away in America« von der Nationalmannschaft und Village People (YMCA) heißt der Song zur WM 1994 und war so belanglos, dass davon eigentlich nur Stefan Raabs rhetorische Frage »Wer singt gern mit Village People?« aus dem parodistischen »Bööörti, Bööörti Vogts« hängen blieb - der heimliche Hit der 94er-WM.
Dass Village People zudem eine Band war, die bewusst mit homosexuellen Stereotypen spielte, sorgte nicht nur beim Fußball-Publikum für Irritationen. Teilnehmer an den Aufnahmen berichten, dass einige Bandmitglieder ganz offensichtlich Gefallen am deutschen Nationalspieler Maurizio Gaudino gefunden hatten.
Die bis heute letzte DFB-Auftragsarbeit durften 1998 Europe-Sänger Joey Tempest (»The final countdown«) und Anna Maria Kaufmann erledigen. »Running with a dream« floppte.
Die FIFA entdeckte den offiziellen WM-Song erst 1990 für sich. »Un' estate Italiana« von Gianna Nannini und Edoardo Bennato folgten »Gloryland« von Daryl Hall und Sounds of Blackness (1994), »The cup of life« von Ricky Martin (1998) und »Boom« von Anastacia und Vangelis (2002).
Das unbestritten beste WM-Lied aller Zeiten war keine Auftragsarbeit. Baddiel, Skinner und die Lightning Seeds wiederholten mit »Three lions 98« den Erfolg ihrer 96er-EM-Hymne. Das als »Football's coming home« besser bekannte Stück hat längst einen festen Platz in der »Music Hall of Fame«, Kategorie Fußall. Also dort, wo Grönemeyer und die von der FIFA beauftragten Klassik-Popper Il Divo mit ihrem Song »Time of our lives« noch hin wollen. Beide Titel werden auf dem am 12. Mai erscheinenden WM-Album »Voices« zu hören sein. Viele Fußballfans pfeifen auf die WM. Und zwar gut gelaunt und schon eine ganze Weile zusammen mit Bob Sinclair und Goleo VI. »Love generation« heißt der WM-Hit, der seit Wochen Platz eins der deutschen Charts belegt.

Artikel vom 14.03.2006