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Ein Mann auf Weltreise
und zu sich selbst

»Homo faber« - ein Bericht wird zum Bühnenstück

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Wir starteten in La Guardia, New York, mit dreistündiger Verspätung infolge Schneestürmen.« Kein anderer Eröffnungssatz wäre passender gewesen am Samstag bei der Premiere von Max Frisch' »Homo Faber« des Theaters Bielefeld im Theaterlabor.

Der reale Schnee draußen hatte das Publikum jedoch nicht abhalten können und die Vorstellung begann auch nur mit dreiminütiger Verspätung. Maximal.
Auf die Bühne gebracht wird ein Text der klassischen Moderne, ein »Bericht«. Regisseur Christian Schlüter lässt die Reise des Ingenieurs Walter Faber um die halbe Welt zu sich selbst von drei Frauen und zwei Männern, Faber 1 und Faber 2, Ratio und Gefühl, darstellen. Stefan Imholz spielt Faber 1, den Technikgläubigen, der sich vor dem Zufall und dem Schicksal sicher glaubt. Sein Alter Ego spielt Stefan Gohlke, der sich im Dialog quasi mit sich selbst gezwungen sieht, einen Rechenschaftsbericht über seine Vergangenheit abzulegen. Imholz und Gohlke tragen gleich zu Anfang ein Schild mit der Aufschrift »La Vida - Das Leben« auf die Bühne. Den beiden Schauspielern gelingt es brillant, das Fabersche Dasein in all' seiner Rationalität so darzustellen, das es auseinanderbricht, sinnlos, verfehlt erscheint - und dennoch weiter geht. Irgendwie.
Zunächst kann Faber nichts erschüttern: weder die Notlandung seines Flugzeugs in der Wüste oder der Selbstmord eines ehemaligen Freundes. Ernsthaft wird seine Welt erst bedroht, als er, bereits in den Fünfzigern, sich in ein junges Mädchen verliebt. Und sie sich in ihn. Faber ahnt nicht, dass sie, die ihm einen neuen Blick auf die Welt öffnet, seine Tochter ist. Sabeth verunglückt jedoch und stirbt, Faber trifft im Krankenhaus Hanna, Sabeths Mutter, und seine Jugendliebe wieder. Die Einsicht in sein Verschulden bleibt ihm jedoch verschlossen: »Hanna hat nicht ahnen können, dass Sabeth auf dieser Reise gerade ihrem Vater begegnet, der alles zerstört. . .«
Ines Buchmann (Hanna), Christina Huckle (Ivy) und Katharina Uhland (Sabeth) sind die Frauen in seinem Leben: Die drei Schauspielerinnen verkörpern Typen, spielen mit Faber, ignorieren ihn, lieben ihn, missachten ihn - und scheinen ihn dennoch nur selten zu berühren. Auf der Bühne, von Anke Grot ausgestattet mit Super Constellation-Flugzeugsesseln, Swimmingpool und Riesenweltkarte, entfaltet sich vor den Augen des Publikums ein knallbuntes Lebenskaleidoskop. Das Ende ist dennoch einsam: »8.05 Uhr. Sie kommen. . .«

Artikel vom 13.03.2006