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Anlegerin bekommt Verlust erstattet

Oberlandesgericht: Finanzdienstleister hatte Frau nicht ausreichend über Risiken aufgeklärt

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Eigentlich interessierte sich Waltraud M. (52) für eine Eigentumswohnung. Doch als sie das Büro des Immobilienmaklers und Finanzdienstleisters verließ, hatte die keine Wohnung, sondern hochspekulative Aktienfonds gekauft.

Der Paderbornerin erging es wie vielen in der Zeit des Börsenbooms vor sechs Jahren. Aber sie hat Glück: Der Paderborner Verbraucheranwalt Michael Gelhard erstritt für seine Mandantin nicht nur das verlorene Kapital zurück, sondern auch einen Zinsgewinn.
Für den Erwerb einer Eigentumswohnung seien ihre Ersparnisse etwas spärlich, hatte der Berater der Kundin im Oktober 2000 erklärt und zur Vermehrung des Kapitals Fondsanlagen empfohlen. Als Schreibkraft hatte Waltraud M. bis dahin von Wertpapieren keine Ahnung. Ihr Vermögen von 14 626 Euro steckte in einem Geldmarktsparbrief der Sparkasse. Der Berater erläuterte ihr die damals phantastische Wertentwicklung der Fonds in der Vergangenheit. Der weitere Verlauf des Gesprächs ist streitig. Zwar könne man aus der Vergangenheit keine Garantie für die Zukunft ableiten, aber, so die Klägerin »sieben bis elf Prozent seien realistisch«, habe ihr der Mann gesagt. Zudem habe er versprochen, die Anlagen so zu wählen, dass sie auf jeden Fall Gewinn erzielten und bei drohenden Verlusten einzuschreiten.
Trotz ihrer Unerfahrenheit mit Börsengeschäften wurde im Kundenfragebogen die höchste Risikoklasse 4 angegeben - überdurchschnittlich hohe Ertragserwartungen bei überdurchschnittlich hohen Verlust- und höheren Bonitätsrisiken. Über die Bedeutung von Risikogruppen sei sie nicht aufgeklärt worden, versichert die Anlegerin. Die beklagte Firma behauptet dagegen, ihr Mitarbeiter habe die Klägerin »eingehend über Möglichkeiten und Risiken informiert«. Nach dem großen Börsencrash war sie um 6662 Euro ärmer. Das Landgericht Paderborn wies die Schadenersatzklage wegen angeblicher Verjährung zunächst ab, doch in der Berufung beim Oberlandesgericht Hamm bekam Waltraud M. Recht.
Ihren Pflichten »zu einer anleger- und anlagengerechten Beratung« sei die Beklagte nicht nachgekommen, befanden die Richter des 4. Senats. Der Anlageberater habe Wissensstand, Risikobereitschaft und Anlageziel des Anlegers zu berücksichtigen. »Im Rahmen einer anlegergerechten Beratung hätte der Mitarbeiter diese Fonds erst gar nicht vorschlagen dürfen und - falls die Klägerin sie selbst ins Gespräch gebracht hätte - davon abraten müssen«, heißt es in dem Urteil. Auch hinsichtlich der Verjährung folgte das OLG der Argumentation von Anwalt Gelhard. Danach gilt die Verjährungsfrist von drei Jahren nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Und dazu zähle die Paderborner Firma nicht.
Das Unternehmen muss Waltraud M. ihr Kapital zurück zahlen und dazu noch 5700 Euro Zinsen - mehr, als sie bei der Sparkasse bekommen hätte. Az.: 4 U 86/05

Artikel vom 13.03.2006