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Chip revolutioniert den Warenverkehr

Das Einkaufen der Zukunft: Metro-Stand auf der CeBIT zeigt Besuchern spannende Vision

Von Bernhard Hertlein
Hannover (WB). Radiofrequenz-Identifikation - abgekürzt: RFID - ist dabei, die Logistik von der Industrie zum Einzelhändler zu revolutionieren. Experten der Metro AG erwarten, dass sie sich auch in Supermarkt und Kaufhaus, wo Händler und Kunde aufeinander treffen, durchsetzen wird.

Lange vor der Ankunft im »Future Store«, den die Metro in Rheinberg testet und derzeit in Hannover auf der CeBIT vorführt, näht eine kleine Chinesin im fernen Schenzhen an einer Bluse für Gerry Weber. Künftig wird sie am Ende ihrer Arbeit einen winzigen RFID-Transponder in dem Kleidungsstück anbringen. Er besteht aus Antenne und einem Mikrochip, auf dem ein Nummerncode mit verschlüsselten Informationen gespeichert ist. Anders als der bislang eingesetzte Barcode ist er auch ohne Sichtkontakt aus größerer Entfernung zu lesen. Außerdem ist der RFID-Code in der Lage, mehr Informationen zu speichern - so viele, dass nicht nur der Typ Bluse, sondern sogar das individuelle Kleidungsstück auf dem weiten Weg zum Kunden identifizierbar bleibt.
Die Bluse, violett, mit Rüschen, Goldknöpfen, Größe 38, genäht am 10. März 2006 von der Chinesin Xian Li bei dem Gerry-Weber-Zulieferer in Schenzhen, wandert zusammen mit anderen Blusen in einen Karton. Mehrere werden aufeinandergeschichtet, bis eine Palette voll ist. Ein Lkw fährt zum Hafen. Vorm Verlassen des Werks passiert er noch einmal eine Türschleuse. Dort registriert ein Empfangsgerät die RFID-Signale - und damit in einem Rutsch die gesamte Ware. Die Nachricht davon geht sogar ins ostwestfälische Halle.
Wochen später nimmt in dieser Zukunftsvision ein Lagerarbeiter bei Gerry Weber die Palette in Empfang. Statt - wie bisher - mit einem Scanner an jedem einzelnen Karton den Barcode abzulesen, fährt die gesamte Fracht wieder durch eine elektronische Schleuse. Xian Li könnte, wenn sie wollte, ihrem Laptop nun entnehmen, dass die von ihr genähte Bluse nun beim deutschen Auftraggeber angekommen ist. Dieser schickt den Karton zusammen mit anderen sofort an ein Zwischenlager der Metro-Tochter Kaufhof weiter. Auch dort wird der Karton nicht gleich geöffnet. »Warum sollte ich?«, fragt der Chef des Lagers: »Dank RFID bin ich bestens über den Inhalt informiert.«
Kaum ist die Bluse in der Galeria Kaufhof in Paderborn angelangt, kommt dort das Signal aus der Warenwirtschaft, dass die Blusen diesen Typs, Farbe und Größe gerade ausverkauft sind. Paket aufgemacht, Bluse raus und ab in den Laden. In der Eile hängt die Verkäuferin sie an den falschen Ständer. Dank RFID kein Problem; das System erkennt das Missgeschick.
Die Kundin, die das schicke Teil einige Zeit danach in der Hand hält, ist sich unsicher: »Violett - ich glaube, das steht mir nicht.« Um das herauszufinden, könnte sie in die Umkleidekabine gehen. Im Modehaus der Zukunft aber hat sie ihr Bild einschließlich Körpergröße einscannen lassen. Nun taucht es auf dem Großbildschirm vor ihr auf - mit der neuen Bluse. Gleich kann sie sich dazu auch den passenden Rock aussuchen. Die Frage, ob er in der richtigen Größe vorrätig und in welchem Regal er zu finden ist, klärt der Computer dank RFID in Sekundenschnelle. So fix ist die Kundin selbst nicht. Sie schwankt immer noch. Aber schließlich hat sie ihr Handy dabei. In Sekundenschnelle ist ihr Bild mit neuer Bluse auf dem PC des Ehemanns oder der besten Freundin, die hellauf begeistert zum Kauf raten.
Befände sich die Kundin in dem Augenblick nicht im Modehaus, sondern in einem Supermarkt, landete die Bluse wohl im »intelligenten Einkaufswagen«. Der »Personal Shopping Assistant« (PSA), ein von Wincor Nixdorf entwickelter Kleincomputer, würde die Ware zusammen mit dem anderen Einkaufsgut registrieren. Ohne Kopfrechnen weiß die Kundin, wie hoch ihre Rechnung ausfällt. Am Ende braucht der Supermarkt fast keine Kassiererin mehr: Beim Gang durch die Kassenschleuse senden sämtliche Transponder ihre Signale.
Nach Verlassen des Supermarkts haben die RFID-Chips ausgedient. Denkbar ist aber auch, dass der Transponder, der beispielsweise an einer Schachtel Margarine angebracht ist, weiter im »intelligenten Kühlschrank« seinen Dienst tut und ein Signal an den Supermarkt schickt. Sobald die Margarine aufgebraucht ist, meldet der PSA: »Margarine nicht vergessen.«

Artikel vom 11.03.2006