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Banden fälschen Fahrkarten

Sicherheitslücke bei der Bahn - Schwarzhandel mit Ticketrollen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). In Deutschland werden in großem Stil Fahrkarten für Omnibusse und Eisenbahnen gefälscht. Mitarbeiter der Deutschen Bahn und anderer Verkehrsunternehmen stehen unter Verdacht, den Fälschern zu helfen.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Köln spricht von einem alarmierenden Anstieg gefälschter Tickets sowie der Schwarzfahrerzahlen. VDV-Tarifexperte Dr. Till Ackermann: »Die Bahn hat selbst eingeräumt, dass drei bis fünf Prozent aller Fahrkarten gefälscht sind. Dies betrifft nicht nur Einzelfahrscheine, sondern auch Wochen- und Monatsfahrkarten. Bei den Unternehmen gibt es Sicherheitslücken, die unverzüglich geschlossen werden müssen. Hier sind organisierte Banden am Werk.«
Restrollen mit fälschungssicherem Papier aus den Fahrscheinautomaten würden nicht sicher entsorgt, sondern an Fälscher verkauft, sagte Ackermann. In einigen Fällen seien danach falsche Tickets selbst über offizielle Verkaufsstellen wieder auf den Markt gelangt. Somit blühe auch intern in Verkehrsunternehmen der Schwarzhandel. Falsche Fahrscheine zum halben Preis würden vor allem von Privatpersonen angeboten und in Gaststätten sowie Diskotheken verkauft. Ein Meter Restrolle habe einen Wert von 2000 Euro. Hiervon könnten 20 Karten für je 100 Euro gedruckt werden.
Ein Bahnsprecher teilte mit, dass in erheblichem Umfang von Studenten auch Semestertickets, die von den Universitäten selbst ausgestellt werden, gefälscht würden. Dies sei leicht möglich, da aus Kostengründen schlechtes Papier verwandt werde.
In Bielefeld waren Ende 2005 bei einem 37-Jährigen von der Polizei 1000 falsche Nachtbustickets sicherstellt worden. Zudem fielen bei Kontrollen falsche Einzelfahrscheine und Tickets des Gemeinschaftstarifs »Der Sechser« auf. Es wurde auch versucht, die nahezu perfekten Fälschungen im Service-Zentrum des Verkehrsunternehmens moBiel gegen Bargeld umzutauschen. Die Ermittlungen der Polizei verliefen ergebnislos. Weder seien die Fälscher gefasst noch die Vertriebswege aufgedeckt worden, sagte Stadtwerkesprecher Wolfgang König.
In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Schwarzfahrer im öffentlichen Personennahverkehr auf bis zu fünf Prozent gestiegen, sagte Ackermann. Zuvor hätten die Werte bei jährlich 2,5 Prozent gelegen. Bei Schwerpunktkontrollen steige die Schwarzfahrerquote auf mehr als zehn Prozent. Der Schaden für die Verkehrsunternehmen liege jährlich zwischen 300 und 500 Millionen Euro. Nach Angaben das NRW-Landeskriminalamtes haben sich die Fälle »Erschleichen von Fahrleistungen« im vergangen Jahr um 4,7 Prozent auf 54 343 erhöht. Im Jahr 2004 hatte es einen Anstieg um 22 Prozent gegeben.
Tarifexperte Ackermann: »Neben der Schließung von internen Sicherheitslücken müssen Fahrscheinkontrollen verstärkt werden. Ferner müssen Kontrolleure schärfer auf Fälschungen achten.« Außerdem werde der VDV vorschlagen, die Geldstrafe für Schwarzfahrer (erhöhtes Beförderungsentgelt) um bis zu 50 Prozent von 40 auf 60 Euro zu erhöhen.

Artikel vom 11.03.2006