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Der Kriegsminister und
das schöne Mädchen

John Profumo überlebte seine Affäre um fast 43 Jahre

London (dpa). Seine Karriere startete steil - und endete in einem Fiasko für die ganze damalige Regierung: Britanniens Kriegsminister John Profumo stürzte 1963 über eine Affäre mit dem Callgirl Christine Keeler. Politisch war er danach tot. Doch sein wahres Leben fand erst jetzt im gesegneten Alter von 91 Jahren ein Ende.
Mit 91 Jahren gestorben: John Profumo. Fotos: dpa

Auch gut 40 Jahre nach dem längst legendären Polit-Skandal hat die Geschichte alle Zutaten für einen James-Bond-Thriller: Sex, Spionage, Aristokratie und einen hochrangigen Mann im Dienste Ihrer Majestät. Der größte Sex-Skandal Großbritanniens in der Nachkriegszeit erschütterte die High Society der Insel zutiefst. In der Nacht zum Freitag starb Profumo nach einem Schlaganfall - ohne sich je in der Öffentlichkeit zu der Affäre geäußert zu haben.
Im London der 60er-Jahre führte der Prominentenarzt Stephen Ward die Nachtclub-Tänzerin Christine Keeler in die Welt der Politik, des Adels und ihrer Partys ein. Ausschweifende Feiern und lustvolle Orgien auf feudalen Landsitzen gehören für einen Teil der feinen englischen Gesellschaft zur Freizeitbeschäftigung. 1961 brachte Ward die blutjunge Keeler zu einer Party, wo das angesehene konservative Kabinettsmitglied Profumo sie zum ersten Mal sah - sie stieg gerade aus einem Swimmingpool, so wie Gott sie schuf...
Keeler war erst 19 Jahre alt, Profumo schon 48 und verheiratet - die Affäre begann. Doch die schöne Christine hatte noch einen weiteren Liebhaber: Jewgeni Iwanow, ein sowjetischer Marineattaché. Dieser stand (wie damals alle Russen im Westen) unter Spionageverdacht.
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges entwickelte sich die Affäre mit dem britischen Kriegsminister auf der einen und dem hochrangigen russischen Militär auf der anderen Kante des Keeler-Bettes zu einem Polit- und Sexskandal allererster Güte. Spekulationen und Gerüchte begannen 1962 zu blühen: Weltweit sorgte die Story alsbald für Schlagzeilen. Doch Profumo bestritt zunächst alles und belog auch das britische Parlament: »Es hat nichts Ungehöriges in meinen Beziehungen zu Miss Christine Keeler gegeben«, versicherte er.
1963 aber flog sein amouröses Abenteuer endgültig auf. John Profumo bekannte am 6. Juni, das Parlament getäuscht zu haben, um seine Frau, die Schauspielerin Valerie Hobson, und seine Familie zu schützen. Die »Profumo-Affäre« schwächte die Regierung des konservativen Premierministers Harold Macmillan so nachhaltig, dass auch er darüber stürzte.
Erst 2001 veröffentliche Christine Keeler mit 57 Jahren ihre Memoiren, Titel: »Die Wahrheit - endlich«. Darin behauptet sie unter anderem, sie sei von Profumo schwanger gewesen. Ihr Freund, der Promi-Arzt Ward, der sich wegen Zuhälterei verantworten musste und sich vor der vollständigen Aufklärung der Affäre das Leben nahm, sei Leiter eines sowjetischen Spionagerings gewesen. Ein Foto von Keeler, das sie nackt, aber in der Form auf einem Stuhl sitzend zeigt, dass die Lehne ihre Blöße verdeckt, gehörte in den 1960ern zu den bekanntesten britischen Pressefotos. Die Affäre wurde 1989 in dem amerikanischen Film »Scandal« mit John Hurt und Bridget Fonda verfilmt.
Profumo, der zeitweise gar als künftiger Premierminister gehandelt wurde, lebte nach der Affäre zurückgezogen. Er setzte sich für wohltätige Zwecke ein. »Er hat für seine Fehler gebüßt«, sagte sein Freund Bill Deedes der britischen BBC und lobte Profumos soziales Engagement. »Wenn das nicht reicht, dann gibt es keine Vergebung«, meinte Deedes.

Artikel vom 11.03.2006