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Das Wort »Pandemie« ist das Gespenst

Bernhard Walter: »Es gibt keinen Grund, auf Spaziergänge im Naturreservat zu verzichten«

Von Annemargret Ohlig
Senne (WB). Trotz Schnees und eisiger Temperaturen ist im Naturreservat Rieselfelder Windel in Senne in den vergangenen Tagen der Frühling buchstäblich angeflogen gekommen. Grau- und Kanadagänse, Kiebitze und Nilgänse sind bereits in kleinen Trupps zurückgekehrt.

Weiteres Wassergeflügel, Watvögel und etliche andere Zugvögel folgen in den nächsten Wochen. Wer hier nicht brütet, der nutzt Feuchtwiesen, Teiche und Grünflächen - besonders in der zehn Hektar großen Nordost-Erweiterung des insgesamt 50 Hektar großen Gebietes - gern für eine »Atempause« auf dem Weg zurück in die Sommerheimat.
Und damit begann in diesem Jahr etwas, was Bernhard Walter, Leiter der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld, nicht nachvollziehen kann: die Panik vieler Menschen wegen der Vogelgrippe und einer möglichen Ansteckung durch das für den Menschen gefährliche Virus H5N1.
»Wir werden sogar gefragt, ob Spaziergänge auf den Wanderwegen durch das Naturreservat gefährlich sind«, sagt Walter. »Aber nicht die Vogelgrippe, sondern das Wort Pandemie ist das Gespenst, das Panik verbreitet.« Solange aber in Bielefeld und Umgebung keine infizierten Tiere aufgefunden werden - und niemand wisse, ob und in welcher Größenordnung das je der Fall sein werde - sieht Bernhard Walter keinen Grund für eine panische Einstellung.
»Es gibt derzeit keinen Grund, Spaziergänge durch die Natur einzustellen oder Katzen einzusperren, nur weil auf Rügen das Virus bei solchen Tieren nachgewiesen wurde.« Ein Mensch müsse zudem, um sich anzustecken, größere Mengen dieser Viren aufnehmen. »Deshalb sollen tote Wildtiere auch nicht angefasst werden«, rät der Diplom-Biologe. Allerdings sei Vorsicht nicht ausschließlich wegen eventueller H5N1-Viren angesagt. Walter: »Die Natur ist nicht nur lieb und schön - zu ihr gehören auch Krankheiten.« Weshalb sich in toten Tieren immer viele Parasiten befinden, die auch dem Menschen schaden können.
Bei aller Unaufgeregtheit, mit der Bernhard Walter und die übrigen Mitarbeiter der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld das Thema Vogelgrippe angehen - »Leichtsinn gibt es bei uns nicht«, betont der Stationsleiter. »Wir beobachten die Vögel im Naturreservat sehr genau, sammeln selbstverständlich verendete Tiere umgehend ein und leiten sie zur Untersuchung ans Veterinäramt weiter.« So wie vor drei Wochen den Graureiher, der offensichtlich verhungert war. »Das hat uns das Veterinäramt bestätigt.«
Sollte jedoch das Virus auch hier ankommen, so breite es sich wohl eher verheerender in Puten- und Hühnerfarmen aus als bei den Wildtieren, vermutet Walter. Und noch etwas tun die Biologen zur Prophylaxe. In dem großen Vogelschutzgebiet »Rietberger Fischteiche« werden Kotproben von Wasservögel genommen und vom Veterinäramt untersucht. »Alle Proben waren bisher negativ - das ist die positive Nachricht«, sagt Bernhard Walter.

Artikel vom 11.03.2006