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Licht und Schatten der Seele und der Natur

Philharmonische Konzerte mit Geigenvirtuose Garrett

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Ins Reich von Licht und Schatten haben die Bielefelder Philharmoniker ihr Publikum beim fünften Freitags- beziehungsweise vierten Sonntagskonzert geführt. Am Pult zeigte Bielefelds erster Kapellmeister Kevin John Edusei großes Einfühlungsvermögen -Êsowohl was die Auswahl und Zusammenstellung der Werke als auch ihre Wiedergabequalität anbelangt.

Durch persönlichen Kontakt und Studien vertraut mit der »Schattenwelt« des zeitgenössischen ungarischen Komponisten Peter Eötvös, konnte Edusei die filigrane Klanglichkeit und emotionale Eindringlichkeit des im Winter 1995/96 entstandenen Orchesterwerks »Shadows« brillant vermitteln. Die 15-minütige Komposition wurde von Orchester und Solisten (Susanne Heilig, Klarinette, und Gerlinde Dewald, Flöte) nicht nur sensibel und spannungsvoll zu Gehör gebracht, sie offenbarte ihren Reiz auch in ihrer ganzen raffinierten Vielschichtigkeit.
Allein die Sitzordnung lässt aufmerken: In der Mitte des Podiums finden sich neben den genannten Solisten mit Schlagzeug und Celesta noch zwei weitere Hauptakteure des Stücks. Um sie herum im Kreis angeordnet nimmt das Orchester Aufstellung, wobei die üblichen Verhältnisse - Streicher vorn, Bläser hinten -Êvertauscht sind. Integraler Bestandteil dieser Aufstellung ist auch die vom Komponisten vorgeschriebene Verstärkung der Soloinstrumente, durch die der Klang zwischen unverbindlicher Distanz und Intimität modulierte werden kann.
Kompositorisch formuliert Eötvös einen Schatten aus Tönen, wobei die Klanglichkeit von zart hingehaucht über lyrisch-melodisch bis hin zu greller und knalliger Farbpalette reicht. Dreisätzig und auch sonst durchaus konventionell in der formalen Anlage, besteht die musikalische Rhetorik aus Wiederholungen von einzelnen Motiven, die nacheinander oder gleichzeitig erklingen, sich überlagern und zugleich als Impulsgeber für dialogisches Musizieren dienen. Alles zusammen ergibt ein attraktives Werk, das den Empfindungsbereich tief aushorcht und das vom Freitagspublikum mit langem, herzlichen Beifall bedacht wurde.
Frenetisch gefeiert wurde hingegen David Garrett, 26-jähriger Solist in Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll op. 64. Der junge Geiger, dessen Künstlerbiografie so wichtige Namen wie Zubin Mehta, Claudio Abbado oder Yehudi Menuhin schmücken, erwies sich als glänzender Virtuose. Auf rhythmisch federndem Orchestergrund begegnete Garrett dem Werk stellenweise vielleicht noch eine Spur zu schlacksig und unverbindlich. Auf der anderen Seite zeigte er im poetischen zweiten Satz eine wundervolle Klangsinnlichkeit und Gefühlsintensität, die im Finale einer übergebührend zur Schau gestellten Virtuosität wich. Nun, ein Virtuose ist David Garrett allemal, wie er in einer als Zugabe gespielten hexenmeisterhaften Paganini-Caprice bewies.
Die herbe Schönheit seiner finnischen Heimat in Töne zu setzen, verstand Jean Sibelius par excellence. In Italien entstanden, enthält seine zweite Sinfonie ebenso die Lieblichkeit und das Licht des Südens. In einem fesselnden Klangrausch zeichneten die Philharmoniker ein detailreiches Bild der Natur, druckvoll, dramatisch zerklüftet und mit nicht nachlassender Spann- und Aussagekraft.

Artikel vom 13.03.2006