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Es musste gar nicht so weit kommen


Zu dem geplanten Verkauf der Paul-Gerhardt-Kirche schreibt uns Dieter Schwertfeger, Pfarrer im Ruhestand:
Nun wurde also eine Klage bei der kirchlichen Verwaltungskammer gegen die Verhandlungen zum Verkauf der Paul-Gerhardt-Kirche an der Detmolder Straße in Bielefeld eingereicht. Ein in der Kirche ungewöhnlicher und unschöner Vorgang. Aber offensichtlich eine Reaktion auf das Ausmaß der Verletzungen, die in den letzten Monaten der Paul-Gerhardt-Gemeinde zugefügt wurden. Es hätte nicht so weit kommen brauchen. Bereits Ende Januar wurde mehrfach, mündlich und schriftlich, ein Vorschlag gemacht (das WB berichtete am 31.1.06), der sich an dem Beispiel Wuppertal orientierte. Dort war - mit der Unterstützung des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau - eine evangelische Kirche nicht in eine Synagoge umgewandelt worden, sondern man stellte das Kirchengrundstück für den Bau einer Synagoge zur Verfügung, was zu einer guten Nachbarschaft und zu einer intensiven Zusammenarbeit beider Gemeinden führte. Dieser Vorschlag wurde auch hier mit großer Zustimmung aufgenommen.
Die damit befassten Leitungsgremien lehnten ihn jedoch - wohl hauptsächlich aus finanziellen Gründen - ab. So kam es zu einer eskalierenden Konfrontation. Johannes Rau hat nach seinem Lebensgrundsatz gehandelt: »Versöhnen statt spalten.« Hier kam es zu dem genauen Gegenteil: die gerade erst fusionierten Gemeinden Neustadt und Paul-Gerhardt wurden tief gespalten und die jüdische Gemeinde in Bielefeld ebenfalls. Ein relevanter Teil der Gemeinde sprach sich öffentlich strikt gegen die Kaufabsichten ihres Vorstandes aus, um das Verhältnis zur betroffenen evangelischen Gemeinde nicht zu belasten. In vielen deutschen Städten sind inzwischen Synagogen gebaut worden, stets mit wohlwollender Unterstützung der christlichen Gemeinden. Das wäre mit Sicherheit auch in Bielefeld der Fall. Meines Wissens sind hier sowohl die Kirche als auch die Stadt gern bereit, der jüdischen Gemeinde ein geeignetes Grundstück dafür zur Verfügung zu stellen. Es wäre der Weg, die entstandenen Verletzungen zu heilen und das bisher gute Verhältnis zum jüdischen Teil der Bielefelder Bevölkerung noch weiter zu intensivieren. Es gibt also einen Ausweg aus der jetzt so verfahrenen und verhärteten Situation. Er steht weiterhin offen. Noch ist es nicht zu spät.

DIETER SCHWERTFEGERBielefeld

Artikel vom 11.03.2006