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Wärmende Musik gegen Kälte

Der Cellist Thomas Beckmann spielte zugunsten obdachloser Menschen

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Alljährlich tourt der Cellist Thomas Beckmann von Januar bis April zugunsten Obdachloser durch die Republik. Die Einnahmen seiner Benefizkonzerte sollen das Leid der auf der Schattenseite des Lebens stehenden Menschen etwas lindern. Am Donnerstagabend machte er in der Altstädter Nicolaikirche Station.

Beckmanns Verein »Gemeinsam gegen Kälte« existiert seit zehn Jahren. Mehr als eine Million Euro wurden seither eingespielt und auf Organisationen verteilt, die sich vor Ort um Menschen ohne Obdach kümmern. In Bielefeld kommt der Erlös des Abends -Êimmerhin rund 5150 Euro -Êder Versorgung von Nichtsesshaften durch die ökumenische Bahnhofsmission, einem gemeinsamen Projekt des Caritas-Verbandes und des Evangelischen Gemeindedienstes, zugute. Kamen 3500 Euro durch Kartenverkäufe zusammen, spendeten die etwa 300 Konzertbesucher nochmals 1650 Euro.
Gut und schön. Doch mit Geld allein ist es nicht getan. Fast schlimmer als die materielle Not ist die gesellschaftliche Ächtung und menschliche Kälte, die den Menschen auf der Straße entgegen schlägt. Daran erinnerte auch Oberbürgermeister Eberhard David, der -Êanders als sein Hamburger Amtskollege - die Schirmherrschaft für das Konzert übernommen hatte und der sich bei Beckmann wie auch bei den Organisatoren, dem Verein Stadtkirchenarbeit und dem Evangelischen Johanneswerk, für das Engagement bedankte.
Der Kälte begegnete Thomas Beckmann, der mit der japanischen Pianistin Kayoko Matsushita verheiratet ist, aber nicht nur ideell, sondern der Cellist wärmte die Zuhörer mit seinem wunderbar warm singenden Cello, einem »Il Mendicante« aus der goldenen Periode des berühmten Geigenbauers und Stradivari-Schülers Giambattista Guadagnini.
Und auch als Musiker pflegt Beckmann einen zutiefst menschlichen und beseelten Tonfall. Sein wohldosiertes Vibrato trägt niemals dick auf und sein technisch makelloses Spiel ist frei von plakativer Klangkunst.
Nach einem einleitenden, melancholisch hingehauchten Appetithappen mit Francois Couperins miniaturhaften »Pieces en concert« widmete er sich Bachs Cello-Suiten (Nr. 1 und 3), die er erstaunlich luftig, dafür mit ausgefeilter Agogik interpretierte. Kathedrale Klangräume ließ Thomas Beckmann auch ohne pathetische Bogenführung entstehen - und zwar immer dann, wenn plötzlich Obertöne flötenartig durchs Kirchenschiff wehten. Bach selbst stellte sein Schaffen, ganz gleich ob weltlich oder kirchlich, in den Dienst Gottes. Durch Thomas Beckmann diente die Musik des Thomas-Kantors nun den Ärmsten der Armen.

Artikel vom 11.03.2006