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»Parallelen zu Jessicas Hungertod«

Anwältin klagt für Eltern des ertrunkenen Soldaten Samuel Scheffelmeier

Von Christian Althoff
Blomberg (WB). Vier Jahre nach dem Tod des Marinesoldaten Samuel Scheffelmeier (21) aus Blomberg (Kreis Lippe) beginnt Mittwoch der Zivilprozess gegen den früheren Fregattenkapitän Frank M. und die Bundesrepublik Deutschland.

Der Soldat war am 6. März 2002 bei einem NATO-Manöver zusammen mit einem Kameraden aus einem kenternden Schlauchboot in die drei Grad kalte Ostsee gestürzt. 27 Minuten war dem 21-Jährigen niemand zur Hilfe gekommen. Der Fregattenkapitän hatte das Aussetzen eines Rettungsbootes wegen angeblich zu hoher Wellen verboten, und ein Beiboot hatte wegen eines seit langem defekten Kranes nicht gewassert werden können. Ein 15 Flugminuten entfernter Rettungshubschrauber war gar nicht erst angefunkt worden. Samuel Scheffelmeier ertrank ebenso wie sein Kamerad Stefan Paul. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Kapitän wegen fahrlässiger Tötung war gegen Zahlung von 2400 Euro Geldbuße eingestellt worden.
Rechtsanwältin Anja Weidemann aus Bonn hat beim Landgericht Hannover Klage für die Eltern Ingrid und Wolfgang Scheffelmeier eingereicht: »Wir fordern 40 000 Euro Schmerzensgeld und den Ersatz der Beerdigungskosten. Außerdem soll der Bund für den Unterhalt der Eltern aufkommen, sollte das jemals notwendig sein. Denn der Sohn kann seine Eltern ja nicht mehr unterstützen.«
In ihrem Schriftsatz an das Gericht hat die Anwältin den Tod des Soldaten mit dem langsamen Sterben der kleinen Jessica (7) aus Hamburg verglichen. Jessica war unter den Augen ihrer Eltern verhungert, Vater und Mutter waren im November wegen Mordes durch Unterlassen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. »Auch wenn es im Fall Scheffelmeier kein Mord war, drängen sich die Parallelen geradezu auf: Samuel stand unter der Fürsorge des Kapitäns, und der sah tatenlos zu, wie der 21-Jährige langsam ertrank. Schlimmer noch: Er untersagte der Mannschaft sogar jeden Rettungsversuch.«

Artikel vom 10.03.2006