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Flotter Tänzer mit 109

Ältester Deutscher isst Haferflocken und Hühnersuppe

Witten (dpa). In der Sprechstunde seines Hausarztes lässt sich Robert Meier selten blicken. Er ist topfit, hat beste Blutdruckwerte, ein starkes Herz, kein Übergewicht, gesunde Knochen und geschärfte Sinne.

Über die Wehwehchen von Menschen, die halb so alt sind wie er, kann der Wittener nur schmunzeln: Heute wird der älteste Bundesbürger 109 Jahre alt. Selbstverständlich steigt zu diesem besonderen Geburtstag eine große Party mit mehr als 50 Gästen. Schwiegertochter Irene Meier backt alle Kuchen und Torten dafür selbst, denn sie weiß: Der alte Herr liebt Süßes, am besten hausgemacht.
Und er freut sich auf die Bauchtanzgruppe, die zu seinen Ehren auftritt. Sohn Heinz und seine Frau, drei Enkel und sechs Urenkel kommen, Wittens Bürgermeisterin Sonja Leidemann, Nachbarn, die Garten- und die Eisenbahnerfreunde. Seine Arbeit als Eisenbahner hat ihn in den fünfziger Jahren ins Ruhrgebiet geführt.
Am 10. März 1897 wurde Robert Meier in der Ukraine geboren, und noch heute denkt er viel an seine erste Heimat. Eine Zeichnung seines Elternhauses hängt in der Küche seiner kleinen Wohnung im ersten Stockwerk. Robert Meier war zwei Mal Soldat, 1915 und 1942. Er gehört zu den letzten Veteranen des Ersten Weltkriegs. »Ich habe noch unseren Kaiser erlebt,« sagt er.
Nach 1945 kam er in seine zweite Heimat, nach Bayern. Daher rührt seine Vorliebe für zünftige Blasmusik, die das Temperament des rüstigen Seniors entfacht. Dann gibt er vom Sofa aus den Takt vor. An seinem 100. Geburtstag vor neun Jahren tanzte Robert Meier sogar noch Rock 'n' Roll. Und auch jetzt, sagt er verschmitzt, könne er noch einen flotten Walzer aufs Parkett legen.
Die Damen aus der Nachbarschaft sind 20 bis 30 Jahre jünger als er und bevorzugen statt wilder Tänze ein nettes Kaffeekränzchen. Dazu serviert Robert Meier, ganz Charmeur, Cappuccino mit Sahnehäubchen und Schokostreuseln. Seinen Haushalt führt der betagte Herr noch weitgehend selbst. »Wenn Sie auch so alt werden wollen wie ich, dann essen Sie Haferflocken. Die sind mein Geheimrezept«, verrät der Jubilar. Aber nur ohne Obst, denn: »Zu viel Gesundes ist auch nicht gesund.« Mittags macht er Hühnersuppe warm, schmiert sich Brote mit Zwiebelmett und scharfem Senf und trinkt dazu ein kühles Pils.
Am Nachmittag darf es dann Schokolade sein. »Hat mein Hausarzt ausdrücklich erlaubt, denn ich war noch nie zu dick«, erzählt Meier und seine Augen blitzen lustig hinter der Goldrandbrille. Dr. George Bechara hatte schon beim 100. Geburtstag prophezeit: »Der wird auch 110.« Und das will der rüstige Rentner unbedingt. »Bis dahin bleibe ich fit«, verspricht er und freut sich schon riesig auf die Fußball-Weltmeisterschaft vor seiner Haustür.

Artikel vom 10.03.2006