24.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gesundheitsreform 2006

Montag hat
das Schweigen
ein Ende


Von Andreas Schnadwinkel
In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werden an diesem Sonntag neue Landtage gewählt. Was das mit Gesundheit zu tun hat? Eine ganze Menge, denn am Montag hat das Schweigen der Großen Koalition wohl ein Ende. Sind die ersten Abstimmungen nach der Bundestagswahl gelaufen, können CDU, SPD und CSU eine weitere gesundheitspolitische Reform angehen. Um die Wahlberechtigten in den drei Bundesländern nicht zu irritieren, blieben die Konzepte der Parteien vor dem 26. März weitgehend in den Schubladen. Wer sich trotz dieser stillschweigenden Einigung aus der Deckung wagte, zog sich den Unmut seiner Parteifreunde zu.
Ulla Schmidts Einflüsterer Karl Lauterbach - der »Harry Potter der Gesundheitsexperten« und Verfechter einer Staatsmedizin à la DDR sitzt seit Oktober für die SPD im Bundestag - brachte als Zuschlag auf die Einkommenssteuer einen »Gesundheitssoli« ins Gespräch und stellte sich damit ins Abseits - aber nur für einige Tage. Denn genau das, was Lauterbach »Soli« nennt, wird kommen: eine zusätzliche Gesundheitsprämie zwischen 15 und 40 Euro.
Allein dieser Plan zeigt, dass es der neuen Regierung kaum gelingen dürfte, die Lohnnebenkosten zu senken. Im Gegenteil: Allem Anschein nach werden die Beiträge zu den Sozialversicherungen steigen. Vom 1. Januar 2007 an wird der Rentenbeitrag von 19,5 auf 19,9 Prozent des Bruttoarbeitslohns angehoben, gleiches könnte mit den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geschehen.
Zwar haben die Kassen das Jahr 2005 mit einem Überschuss von 1,8 Milliarden Euro abgeschlossen, aber für dieses Jahr deuten sich - trotz des wegen der Ablehnung im Bundesrat verspätet in Kraft tretenden Arzneimittelspargesetzes - Kostensteigerungen an. Neben dem gestrichenen Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 1,2 Milliarden Euro könnte die auch für Medikamente geltende Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 für noch höhere Beiträge zur GKV sorgen. Hinzu kommen Kosten für die Einführung der Gesundheitskarte.
Dabei hat sich die Große Koalition zum Ziel gesetzt, die durchschnittliche Last auf 14,2 Prozent zu senken. Ein großer Wurf, so scheint's, soll die nächste Veränderung im Gesundheitswesen gar nicht werden. Vielmehr geht es darum, die Finanzierbarkeit des Systems der GKV für diese Zeit des Übergangs - oder ist die Große Koalition mehr? - zu gewährleisten. In der derzeitigen Regierung kann weder die CDU (die Kopfpauschale heißt jetzt Gesundheitsprämie) noch die SPD (Bürgerversicherung) ihr Modell eins zu eins durchsetzen.
Als Kompromiss könnte das Vorbild aus Holland dienen: Seit Beginn dieses Jahres führen die Bürger eine Kopfpauschale und vom Einkommen abhängige Beiträge zur GKV ab, inklusive Arbeitgeberanteil; außerdem müssen sich in den Niederlanden die Privaten Krankenversicherungen (PKV) am Finanzausgleich zwischen den Kassen beteiligen. Natürlich ist das neue System des Nachbarn nicht frei von Risiken. Bedürftige, Transferempfänger und Familien müssen aus Steuermitteln bezuschusst werden.
In Zeiten schwacher Konjunktur, sinkender Staatseinnahmen und hoher Arbeitslosigkeit kann das nicht dauerhaft funktionieren. Politisch ließe es sich indes von CDU und SPD ohne Gesichtsverlust verkaufen, weil es die Ansätze beider Parteien zumindest beinhaltet. Und genau hier, in diesem taktischen Klienteldenken, liegt das Grundproblem. Daher wird man weiter herumdoktern, die Patienten noch mehr zuzahlen lassen und die PKV mit zur Kasse bitten.
Eine echte Gesundheitsreform im Sinne eines vor allem für die freiwillig gesetzlich versicherten Arbeitnehmer gerechten Systemwechsels kann es nur unter einer neuen Regierung mit Beteiligung der FDP geben. Einer Großen Koalition geht es nicht darum, dass an Ineffizienz leidende Gesundheitswesen vom Kopf auf die Füße zu stellen, sondern nur darum, noch mehr Geld in das kranke System zu pumpen.

Artikel vom 24.03.2006