09.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Parkinson gehorcht mir jetzt«

Horst Güse ist erster NRW-Patient mit der Infusionspumpe aus Schweden

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Horst Güse (76) fühlt sich wie neu geboren: »Steifheit und Zittern waren gestern. Die Lebensqualität ist zurück.« Der Ubbedisser ist erster Parkinson-Patient in NRW, der sich selbst über eine Sonde permanent mit dem entscheidenden Medikament Dopamin versorgen kann.

Seit 15 Jahren leidet Güse an Parkinson. Was ganz unspektakulär mit Gelenkschmerzen begann, bereitete dem früheren Friseurmeister (Er bekommt im Sommer den Goldenen Meisterbrief) und langjährigen Berufsschullehrer immer größere Probleme. Parkinson im fortgeschrittenen Stadium geht einher mit Stürzen, Schluckbeschwerden, Knochenbrüchen, Bettlägerigkeit, immer kürzeren »Normalphasen« zwischen Schüben mit Steifheit oder extremem Zittern. Parkinson ist eine Nervenkrankheit, im Gehirn fehlt der Botenstoff Doparmin. Mit Tabletten, erinnert sich Güse, gab es kaum noch Linderung.
Güse war bereits in der schwierigen Phase angekommen, unterstreicht Dr. Manuela Müller. Die Oberärztin und Neurologin des Ev. Krankenhauses (vormals Johanneskrankenhaus) kannte seinen Fall und bot Güse die »Hauptrolle« bei der medizinischen Premiere an. Im Dezember bekam er ein Dünndarmkatheter durch die Bauchdecke eingesetzt. Die dazu gehörende Infusionspumpe von der Größe eines Taschenbuches trägt Güse, wie ein Kriminalbeamter seine Pistole im Halfter, unter der rechten Achselhöhle. »Das ganze Geheimnis für das neue Leben ist für Fremde nicht zu sehen«, freut sich Güse: »Aber die staunen über den neuen ruhigen Gesprächspartner, der sogar im Theater wieder still sitzt und aktiv in seinen Orgelclub geht.«
Größter Vorteil der kontinuierlichen Versorgung des Gehirns mit Doparmin: Der Patient kann selbst per Knopfdruck sehr fein dosieren, Phasen der Unter- oder Überversorgung gibt es nicht mehr. Güse: »Ich leide nicht mehr unter Parkinson, sondern lebe ganz gut damit.« Und während das Vorstandsmitglied der Selbsthilfegruppe engagiert für das in Schweden entwickelte Pumpensystem wirbt, hat Dr. Manuela Müller drei weitere Patienten ausgestattet. Horst Güse genießt die wieder gewonnene Freiheit, plant mit Ehefrau Jutta Ausflüge: »Nachts nehme ich die batteriebetriebene Pumpe ab und essen kann ich endlich wieder alles, worauf ich Appetit habe.«

Artikel vom 09.03.2006