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Schöpfung oder Evolution?

Findet sich in der Natur Gottes Plan oder ist alles nur Zufall?
Kardinal Christoph Schönborn im Gespräch


In den USA herrscht seit langem ein Streit zwischen Anhängern der Evolutionstheorie und den so genannten Kreationisten. Die Kreationisten halten am Schöpfungsbericht der Bibel fest. Radikalere Vertreter nehmen dabei den Schöpfungsbericht als Sechstagewerk wörtlich und lehnen die Evolutionstheorie rundum ab. Der Streit reicht tief bis in die Schulpolitik und den Inhalt der Schulbücher. Die Evolutionisten vertreten die biologische Entwicklung vom Einzeller bis zum Menschen durch zufällige Gen-Mutationen und natürliche Überlebens-Auslese. Zur Erklärung der verschiedenen Lebewesen bedarf es nicht einzelner Schöpfungsakte. Radikalere Vertreter - die so genannten Neo-darwinisten - erklären die Weltentstehung überhaupt als eine Kette von reinen - wissenschaftlich aufklärbaren - Zufallsereignissen und lehnen jegliches Eingreifen einer planenden Vernunft ab. In seiner ersten Predigt als Papst sagte hingegen Benedikt XVI.: »Wir sind nicht das Produkt einer blinden Evolution, sondern jeder von uns entspringt einem eigenen Gedanken Gottes: Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder wird gebraucht.« Am 7. Juli 2005 hat der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, in der New York Times einen Artikel zum Thema Schöpfung und Evolution veröffentlicht, der bei den Neo-Darwinisten weltweit, vor allem in Amerika für große Aufregung gesorgt hat und nach wie vor sorgt. Wir haben Kardinal Schönborn dazu befragt.

In Ihrem Artikel in der New York Times vom 7. Juli sagen Sie, Herr Kardinal Schönborn, die Erkenntnisse biologischer Evolution in der Natur durch zufällige Gen-Mutationen und Selektion seien mit einem Schöpferplan vereinbar. Zwischen beidem gebe es, recht verstanden, keinen Widerspruch. Wie es überhaupt zwischen Wissenschaft und Glauben keinen wirklichen Widerspruch geben könne. Woher also die Aufregung, die Sie mit der Veröffentlichung ausgelöst haben?
Kardinal Schönborn: Für mich ist die Frage, die in dieser Debatte aufbrach, nicht primär eine Frage
zwischen Glauben und Wissen, sondern eine Frage der Vernunft. Es ist völlig der Vernunft entsprechend, Sinnhaftigkeit, Plan anzunehmen, auch wenn die naturwissenschaftliche Methode diese Frage ausgrenzt. Aber mein Hausverstand darf nicht durch die naturwissenschaftliche Methode ausgegrenzt werden. Die Vernunft sagt mir, dass es Plan und Ordnung, Sinn und Ziel gibt, dass eine Uhr nicht zufällig entstanden ist und noch viel weniger der lebendige Organismus einer Pflanze, eines Tieres oder gar des Menschen. Deshalb gilt es zu staunen. Und das Staunen ist der Anfang der Philosophie.

Mit anderen Worten: dass Gott die Welt, so wie sie ist, geschaffen hat - und zwar aus dem Nichts - ist eine Glaubensfrage, und die Wissenschaft geht der Frage nach, wie er sie erschaffen hat: ob auf einen Schlag, ob nach und nach, ob eigens jedes Wesen so wie es jetzt ist, oder eben mitsamt den Bedingungen und Prozessen einer biologischen Evolution?
Kardinal Schönborn: Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es dazu: »Das Dasein eines Schöpfergottes läßt sich dank dem Licht der menschlichen Vernunft aus seinen Werken mit Gewißheit erkennen« (Nr. 286). Und weiter heißt es dann: »Wir glauben, dass Gott die Welt nach seiner Weisheit erschaffen hat. Sie ist nicht das Ergebnis irgendeiner Notwendigkeit, eines blinden Schicksals oder des Zufalls« (Nr. 295). Es gibt aber eine Äußerung von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1996, dass die Evolution »mehr als eine Hypothese« ist. Das Wort Evolution ist dort nicht näher definiert. Tatsächlich hat die Kirche ja auch keine Probleme damit, in der Natur biologische Evolutionsprozesse anzuerkennen. Die Aussage des Papstes wurde aber in neo-darwinistischen Kreisen missbraucht und als Zustimmung zu ihrer materialistischen Welterklärung gewertet. Es gibt aber hinreichend Erklärungen von Papst Johannes Paul II., dass von einer solchen Zustimmung nicht die Rede sein kann. So sagte er besispielsweise schon 1985: »All diesen Hinweisen auf die Existenz eines Schöpfergottes halten einige die Macht des Zufalls oder einen der Materie eigenen Mechanismus entgegen (..). Es wäre gleichbedeutend damit, Wirkungen ohne Ursache anzunehmen. Es wäre eine Absage an den menschlichen Verstand, der sich so dem Nachdenken und der Suche nach einer Lösung seiner Fragen verweigern würde.«

Offenbar muss man bei »Zufall« doch auch unterscheiden, in welchem Sinne das Wort gebraucht wird. Gen-Mutationen in der biologischen Entwicklungsgeschichte treten - wissenschaftlich gesehen - zufällig auf. Das heißt, sie lassen sich wissenschaftlich nicht vorhersagen, sie haben keine konkrete für uns erkennbare Ursache. Damit ist aber nicht gesagt, dass sie keine Ursache haben, die einer höheren Vernunft zugänglich ist, oder dass sie einem Plan folgen, der die biologische Evolution oder Schöpfung insgesamt lenkt. Gibt es denn wissenschaftliche Gründe, die den Glauben an einen Schöpfer der Welt ausschließen, oder wird die Annahme eines Schöpfers bloß abgelehnt aus Gründen, die mit Wissenschaft gar nichts zu tun haben? In dem Sinne, dass es jemandem leichter fallen mag, Ereignisse anzunehmen, die gar keine Ursache haben, als zuzugeben, dass ihm die Ursache nur nicht zugänglich ist?
Kardinal Schönborn: Wieso sollte der Glaube, dass das Universum einen Schöpfer hat, der Wissenschaft im Wege stehen? Tatsächlich gibt es eine riesige Zahl von Zeugnissen von Naturwissenschaftlern,

Artikel vom 18.03.2006