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Neue Welt hat
sich geöffnet

Max Liebermann »erobert« die USA

Von Christoph Driessen
New York/Paderborn (dpa). Als sich der berühmte Arzt Ferdinand Sauerbruch einmal bei Max Liebermann über das lange Modellsitzen beschwerte, bekam er zur Antwort: »Wenn Sie 'n Fehler machen, dann deckt ihn anderntags der grüne Rasen. Aber 'n Fehler von mir sieht man über hundert Jahre an de Wand hängen.«
Den Arzt Ferdinand Sauerbruch zeigt Max Liebermanns Gemälde von 1932.Foto: dpa

Zurzeit hängt das Sauerbruch-Porträt an der Wand des Jüdischen Museums in New York, direkt gegenüber dem Central Park. Es ist Teil der ersten großen Liebermann-Ausstellung Amerikas, die bis zum 30. Juli zu sehen ist. Der Künstler sei in den USA nahezu unbekannt, sagt die Kuratorin Barbara Gilbert. Die Ausstellung mit mehr als 60 Bildern soll dies ändern. Acht Jahre hat Gilbert daran gearbeitet. »Eine neue Welt hat sich mir geöffnet«, erzählt sie. Erstaunt hat sie vor allem, welch zentrale Rolle der Jude Liebermann (1847-1935) jahrzehntelang im deutschen Kulturleben gespielt habe. Eine kleine aber feine Ausstellung mit Werken Liebermanns wird unter dem Titel »Zeichnen heißt Weglassen« am 17. März um 19.00 Uhr in der Städtischen Galerie in Schloß Neuhaus eröffnet. Sie wird bis zum 7. Mai gezeigt.
Vor dem Ersten Weltkrieg gilt der Präsident der fortschrittlichen Künstlervereinigung Berliner Secession als liberaler »Gegenkaiser«. Liebermanns Atelier am Pariser Platz ist Treffpunkt der Gesellschaft. Von 1920 bis 1933 ist er als Präsident der Preußischen Akademie der Künste selbst einer der Repräsentanten des Staates. Die Großen der Weimarer Republik lassen sich von ihm malen, von Albert Einstein über Thomas Mann bis zum Reichspräsidenten Paul von Hindenburg: sehr deutsche Herren mit Schnauz und Binder.
Zu Beginn seiner Laufbahn ist der reiche Fabrikantensohn noch fasziniert vom einfachen Leben. 40 Jahre lang verbringt er die Sommermonate in Holland und malt Flachsspinnerinnen, Netzflickerinnen, Gänserupferinnen, Weber und Bleicher. Er beschönigt nichts, aber die soziale Anklage ist ihm ebenso fremd.
Um 1900 ist es dann vorbei mit der »Armeleutemalerei«, und er wendet sich dem Leben des Bürgertums zu. Nun steht die Staffelei im Strandcafé, an der Pferderennbahn und im Villengarten. Es ist seine eigene Welt, die er da malt. Mit der Zeit wird sein Stil immer impressionistischer. Eine Konstante ist die Faszination durch das Licht. Ein Bild aus dem Musée d'Orsay in Paris zeigt einen Biergarten unter alten Bäumen, durch deren dichtes Laub die Sonnenstrahlen brechen. Es ist eines jener Bilder, das lang verschüttete Erinnerungen zum Leben erweckt: an einen unbeschwerten Sommertag.
Den Schluss der Ausstellung bildet ein Foto des hochbetagten Liebermann beim Verlassen eines Wahllokals 1932; direkt hinter ihm steht ein NSDAP-Helfer mit Hitler-Plakat. Seine Kunst wird geächtet. Er, der sich immer als Jude und als Deutscher zugleich gesehen hat, gesteht sich nun ein: »Ich bin aus dem Traume, den ich mein Leben geträumt habe, erwacht.«

Artikel vom 11.03.2006