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Menschliches Versagen
Hart
am
Ball

Von Friedrich Wilhelm Kröger

Den letzten beißen die Hunde. Menschliches Versagen auf dem Fußballplatz ist daher für Torhüter besonders bitter. Zwischen Genie und Wahnsinn liegt oft nur eine Parade. Tim Wiese im Zwiespalt mit sich selbst: Nimm du ihn, ich hab' ihn sicher.
Schon das gesamte Spiel über vermittelte der wegen schwerer Verletzungen lange vom Spielbetrieb ausgeschlossene Bremer Schlussmann den Eindruck, der Nacht im Stadion delle Alpi seine ganz eigene spektakuläre Note geben zu wollen. Auf einmal tauchte Wiese mitten im Grünen auf, da hatte er in diesem Moment überhaupt nichts zu suchen und viel Glück, dass die Kopfball-Rückgabe des eigenen Mannes um Zentimeter am leeren Werder-Kasten vorbei strich. Später segelte Wiese übermütig an einer Flanke vorbei. Auch das ging gerade noch einmal gut.
Natürlich hat er trotzdem ein großes Spiel abgeliefert, erst war es große Klasse, dann von großer Tragik. Mit einem schwächeren Torhüter wäre Werder schon früher in Rückstand geraten, mit einem besseren allerdings am Ende nicht mehr ausgeschieden.
Trost hat sich Wiese verdient, mindestens einen herben Rüffel jedoch auch. Wer so einen tolpatschigen Patzer produziert, dem nützt es am Ende auch nichts mehr, dass er zuvor alles gehalten hat. Es war ein Showstück, das der Torwart aufführen wollte. Es war ein düsteres Schauspiel, als für Werder und Wiese der letzte Vorhang fiel.
Eine überflüssige Aktion mit Folgen. Nicht nur für den Verein. Es hätte Werder auch als Hauptlieferant der deutschen Nationalmannschaft gut getan, ein international bedeutendes Zeichen zu setzen. Stattdessen wurde die Turiner Fußball-Wiese zur Stätte einer verpassten Chance.

Artikel vom 09.03.2006