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Robert Lembcke

»Viele Politiker haben Angst, ihr Gesicht zu verlieren. Dabei könnte ihnen doch gar nichts Besseres passieren.«

Leitartikel
»Derbes Sprachbild«: Oskar L.

Ferkel,
Schweine,
Sauerei


Von Rolf Dressler
Immer wenn er einer allzu hartnäckigen Widerrede ein Ende setzen wollte, rief Bundeskanzler Konrad Adenauer, der unvergleichlich listige Debatten-Fuchs, sein Gegenüber im schönsten links-rechtsrheinischen Tonfall etwa wie folgt zur Ordnung: »Nun sind Sie bitte mal still!« Das fruchtete in aller Regel sogar. Und es hallt bis heute nach.
Der allsamstägliche humorige Wochenrückblick im WDR-2-Radio schließt stets mit jenem Originalton-Aufruf des großen »Alten von Rhöndorf« aus einer Sitzung des damaligen Deutschen Bundestages und der Antwort des folgsamen Kabarettisten unserer Tage: »Wiiirrrd jemacht, Chef!«
Deswegen aber wird doch niemand gleich die ganze Zunft »der« Politiker, geschweige denn, die Kulturgeschichte der freien Rede an sich und im Besonderen in Frage stellen wollen.
An einem gewissen Oskar »Napoleon« Lafontaine allerdings hätte selbst ein Konrad Adenauer zu knacken gehabt und sich womöglich die Zähne ausgebissen. Aber der nachgeborene Laut-Sprecher von der Saar suchte sich andere Opfer. »Seinem« SPD-Kanzler Helmut Schmidt zum Beispiel schlug er höhnend um die Ohren, mit klassischen Tugenden wie Pflichtgefühl, Verlässlichkeit, Ehrbarkeit, Redlichkeit und Treue könne man problemlos »auch ein KZ führen«. Merke: Die Steigerungsformel heißt Gegner, Feind, Parteifreund ...
Hartnäckige Rechercheure des »Spiegel« und des ARD-Fernsehmagazins »Panorama« bezichtigte Lafontaine aparterweise eines regelrechten »Schweinejournalismus«, weil sie die auffallend aufwendigen Lebensgewohnheiten des Genussmenschen von der sogenannten Toskana-Fraktion näher beleuchtet hatten.
Und nun, Anno 2006, liefert sich der Chef-Populist der noch jungen Parlamentsfraktion der Linkspartei schon die nächsten ätzenden Gefechte mit der bösen Pres- se. Denn wieder machte Oskar Lafontaine offenbar fast dieselben oskar-verdächtigen Anleihen bei der Abteilung »Brehms Tierleben«.
Zwar bedauert er, das, zugegeben, »derbe Sprachbild« von der »Schweinebande«. Es sei jedoch auf Unternehmer gemünzt gewesen, die trotz hoher Gewinne Mitarbeiter entlassen, und nicht, wie von der »Leipziger Volkszeitung« berichtet, »auf die ganze Bande im Bundestag, die er nur zu gern sämtlich in einen Sack gesteckt und verprügelt sähe«.
Dass Lafontaine in seiner fraglichen Wahlkampf-Tirade im westpfälzischen Schöneberg-Kübelberg wiederum gallegiftig gekübelt hat, ist unstrittig. Zu Recht empört das nicht nur den Ältestenrat des Bundestages. Abermals sei Lafontaine rhetorisch »im Saustall unterwegs gewesen«, schreibt dankenswert klar die »Frankfurter Rundschau«; er kenne eben viele Sorten »Schweine«.
Unser Eindruck: Die fein abgestufte Kulturgeschichte der unschuldigen Kreatur - sprich: Ferkel, Schwein und Sau - braucht nicht umgeschrieben zu werden.
Trotz des Haudraufs Oskar L.

Artikel vom 11.03.2006