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Arthur Millers Karte hat er gleich mitgebracht

Oscar-Preisträger Maximilian Schell steht in London zum letzten Mal auf der Theater-Bühne


Von Thomas Burmeister
London (dpa). Ein Schuss Mussolini-Mimik, ein wenig Hitler-Gestikulieren. Aber vor allem die Gebärdensprache von Saddam Hussein und von George Bush. Lässt sich aus diesem »Zutatenmix« eine Theaterrolle gestalten?
»Aber natürlich«, sagt Maximilian Schell. In London spielt der Oscarpreisträger derzeit in Arthur Millers letztem Theaterstück einen unter Potenzproblemen leidenden Bananenrepublik-Diktator, der für Millionen von Dollar einen charismatischen Rebellenführer vor laufenden US-TV-Kameras wie Jesus kreuzigen lassen will.
Arthur Miller, der nach »Hexenjagd« und »Tod eines Handlungsreisenden« immer wieder »das Gewissen Amerikas« genannt wurde, hat sein letztes Werk als politische Satire und Groteske angelegt, mit klaren Anspielungen auf den Irak-Krieg und die zunehmende rechtsreligiöse Verklärung im Weißen Haus. Nachdem Miller im Februar 2005 starb, hieß es in Trauerreden, er sei »einer der letzten Theater-Giganten gewesen«. Doch für sein letztes Stück, »Resurrection Blues«, fand sich am Broadway kein Produzent. Es galt als zu kompliziert und zu politisch.
In London trafen sich zwei Amerikaner, die sich davon nicht abhalten ließen: Der Schauspieler Kevin Spacey (46) und der Regisseur Robert Altman (81), zwei ebenso kritische wie unabhängige Geister. Nach einem Darsteller für die zentrale Gestalt des Stücks, des ebenso schwärmerischen wie brutalen Diktators Felix Barriaux in einer fiktiven Bananenrepublik, mussten Altman und Spacey nicht lange suchen. Miller selbst hatte Schell empfohlen, den er am Broadway in »Urteil von Nürnberg« als den Nazi-Juristen Ernst Janning erlebt hatte. Der Dramatiker schrieb eine Karte an Schell: »Ich hoffe, Du übernimmst eine großartige Rolle zur Inspiration der Menschen. Alles Gute, Arthur Miller.« Die Karte hat der 75-jährige Schell in einem Goldrahmen mitgebracht nach London. »Da braucht man doch nix mehr«, sagt er. »Da können Kritiker schreiben, was sie wollen.«
Über einige Schwächen des Stückes kann das zwar nicht hinwegtäuschen, doch Schell freut sich: Noch nie habe er im Publikum so viele Lacher gehabt, wie als impotenter »Saddam Bush«-Verschnitt. »Es war einfach fantastisch!«. Dennoch bleibt Schell bei dem Entschluss, den er zugleich mit der Annahme der Rolle gefasst hatte: »Dies ist wirklich meine letzte Arbeit als Schauspieler auf einer Theaterbühne.« Am 22. April fällt für »Resurrection Blues« in London der letzte Vorhang. Danach gibt es Schell als Schauspieler »nur« noch im Kino oder im TV.

Artikel vom 08.03.2006