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Schnatternde Gänse
und dänisches Dynamit

»König« Werner Weih und »Kaiser« Franz treffen sich

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Bienvenidos! 16 Jahre zuvor war Werner Weih in Mexiko mit Mariachi-Trompeten empfangen worden, und als er zur WM 1986 in Mexiko-Stadt landete, lärmte es draußen noch viel lauter: zuckende Blitz, krachender Donner!

In einem schweren Gewitter brachte der Bus unseren »König Fußball«, dazu flatternde Hühner und schnatternde Gänse, nach Querétaro, wo die deutsche Mannschaft mit viel Glück die Vorrunde überstand (1:1 gegen Uruguay, 2:1 gegen Schottland, ein blamables 0:2 gegen »Danish Dynamite«).
»Ich hatte mich diesmal keiner Gruppe angeschlossen, sondern war die Reise auf eigene Faust angegangen - und auf eigenes Risiko, was die Karten anging. Aber man kannte mich inzwischen, und so war ich guten Mutes.« Kein Geringerer als der »Sportstudio«-Moderator Dieter Kürten hörte sich mit Interesse an, was Werner Weih über sein geplantes Fußballbuch zu erzählen hatte - immerhin bedeutete die Mexiko-Reise Werner Weihs zehnte Teilnahme an einem Großturnier. »Sogar Autogramme musste ich geben.«
Wie immer suchte Werner Weih die Nähe der Einheimischen, und wie immer traf er nette und hilfsbereite Gesprächspartner. Weitaus schwieriger gestaltete sich die Kontaktaufnahme mit der deutschen Elf; vor allem Teamchef Franz Beckenbauer erwies sich als harter Brocken. »Ich halte es für verfehlte Politik gegenüber dem treuen Fan, die Mannschaft abzuschotten«, kritisiert Weih den DFB und dessen Funktionäre.
Aber vor dem Achtelfinale erwischte Werner Weih den »Kaiser« doch: »Beckenbauer hatte gerade eine Pressekonferenz vor dem Mannschaftshotel beendet und wendete sich ab, und ich rief ihm etwas nach. Wohl weil einige Kameras noch liefen, wechselte er ein paar Worte mit mir. Ich hatte gehofft, der ÝKaiserÜ würde dem ÝKönigÜ bei der Promotion zum geplanten Buch helfen, aber so weit geht die Liebe unter Monarchen offensichtlich nicht . . .«
Irgendwie, nach mancherlei Umwegen, weil sich nicht einmal der Taxifahrer so recht auskannte, fand der Bielefelder auch das Denkmal, das an eine merkwürdige Episode in der mexikanischen Geschichte erinnert: Als Präsident Juarez 1859 die Zahlungen zur Begleichung der Auslandsschulden stoppte, mischte sich Frankreich in Gestalt Napoleons III. in die Staatsgeschäfte ein. Auf sein Betreiben wurde 1864 der österreichische (!) Erzherzog Maximilian zum Kaiser von Mexiko erhoben, doch als die USA den Abzug der französischen Truppen erzwangen, wurde der schutzlose Maximilian inhaftiert und 1867 erschossen. Vor dieser Tragik verblasst die Niederlage gegen die Dänen etwas . . .
»Nach dem 2:0 im Halbfinale gegen Frankreich, auf der Fahrt von Guadalajara nach Mexiko-Stadt, freundete sich ein neugieriger Junge mit mir an. Keiner sprach des anderen Sprache, aber Ýmit Händen und FüßenÜ klappte die Kommunikation doch ganz gut. Und auf halbem Weg, beim Zwischenstop in Querétaro, wo viele mich inzwischen kannten, lud mich der Onkel des Jungen - der längst mein Autogramm besaß - zu seiner Geburtstagsfeier ein.«
Das war zwar sehr schön, aber eigentlich wollte Werner Weih ja zum Endspiel . . . »Nichts da, Sie bleiben hier!« - »Aber ich habe gar keinen guten Anzug im Gepäck!« Doch der gastfreundliche Mexikaner ließ keine Ausrede gelten, und so trat »König Fußball« schließlich etwas weniger festlich gewandet vor die 100 Geburtstagsgäste, was aber niemand krumm nahm.
Anderntags, am 29. Juni in Mexiko-Stadt, bekam Werner Weih zwar ein Autogramm von Mireille Mathieu, die dem Bielefelder noch vom tollen Publikum in der Oetkerhalle vorschwärmte, aber leider keine Karte mehr! Bis zur Pause musste er warten, dann allerdings sah er noch vier der fünf Tore. »Ich bin gewiss kein Maradona-Fan, aber den Argentiniern hab ich den Sieg trotzdem gegönnt.«

Artikel vom 24.05.2006