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Spier -Êalles an
einem Standort

Belegschaft wird am Erfolg beteiligt

Von Bernhard Hertlein
Steinheim (WB). Obwohl der Bestand an Nutzfahrzeugen in Deutschland sogar zurückgeht, fahren die Hersteller schon im zweiten Jahr mit spürbarem Rückenwind. Aktueller Treibstoff für die Branchenkonjunktur ist die in Deutschland am 1. Mai vorgesehene Einführung des digitalen Tachographen.
Mit Spaß bei der Arbeit: Blick in die »Produktionsstraße« des Fahrzeugwerks Spier in Steinheim.

»Wer jetzt seinen Lkw kauft, kann noch länger mit der traditionellen Tachoscheibe arbeiten«, erklärt Jürgen Spier. Für die große Nachfrage nach Lkw-Aufbauten und Anhängern gebe es, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Spier GmbH & Co. Fahrzeugwerk KG, aber noch ein zweites Motiv: Die Einführung der Lkw-Maut habe eine Welle logistischer Maßnahmen in Gang gesetzt, als deren Folge heute weniger Lastwagen die Straßen verstopften. Um die unterschiedlichen Waren transportieren zu können, müssten die Lkw-Aufbauten aber auch entsprechend ausgerüstet sein. Hier stoße Spier außer mit speziellen Produkten zur Ladungssicherung auch mit dem neuen »Curtainsider« in eine Marktlücke. Bei dem von Spier zum Patent angemeldeten ÊAufbau kann das Be- und Entladen auch über eine seitliche Schiebegardine vorgenommen werden. Üblicherweise wird die Ladung von hinten in den Lkw hineingeschoben -Êbei Verkehren mit kleinen Stückgutmengen ein ziemlich zeitraubendes Verfahren.
Das Fahrzeugwerk Spier, 1872 gegründet, wird inzwischen in vierter Familiengeneration von den Brüdern Jürgen und Michael Spier geführt. Am Anfang stand in Steinheim im Kreis Höxter ein Betrieb für Stellmacherei und Wagenbau. Heinrich Spier fertigte unter anderem Holzwagenräder, Schubkarren, Kutsch- und Erntewagen sowie landwirtschaftliche Geräte. 1924 übernahm sein Sohn Heinrich den Betrieb; dessen Sohn Willi Spier folgte 1971 in die Verantwortung. Heute fertigt das Unternehmen Koffer- sowie Planen- und Pritschen-Aufbauten für kleine und große Lastwagen sowie Anhänger. »Wir konstruieren und produzieren alles selbst«, sagt Jürgen Spier nicht ohne Stolz. Die Konzentration auf einen Standort auch zu Zeiten, in denen andere billig Produktionsstätten in der ehemaligen DDR aufkauften, erweise sich heute als richtig.
Der Kundenkreis umfasst mehrere Großabnehmer wie Hertz, Europcar und die Möbelbranche (Schieder, Zurbrüggen und andere). Hinzu kommen oft interessante Spezialaufträge wie die Lkw-Aufbauten für die Bühnentechnik von Stars wie Herbert Grönemeyer, Tina Turner oder Udo Jürgens.
Anders als vergleichbare mittelständische Unternehmen fertigt Spier in modernen Produktionsstraßen. »Trotzdem sind Flexibilität und das handwerkliche Geschick unserer Mitarbeiter die wichtigsten Erfolgsfaktor«, sagt Michael Spier. Seit Anfang 2006 gilt in dem Werk im Steinheimer Industriegebiet Bergheim wieder die Vierzig-Stunden-Woche. Ein Teil der damit verbundenen Lohnerhöhung wird künftig erfolgsabhängig bezahlt. Jürgen Spier: »Wenn das Unternehmen gut verdient, sollen auch die Mitarbeiter profitieren.«
Der Profit war allerdings gerade in jüngster Zeit nicht immer selbstverständlich. Nach dem Vereinigungsboom fuhr die Branche seit 1993 in ein tiefes Konjunkturtal. Die Wende kam erst 2004. Im vergangenen Jahr entwickelte sich der Nutzfahrzeug-Absatz im Gegensatz zum Pkw abermals positiv. Güter müssen in den Zeiten der Globalisierung bewegt werden. Der Absatz erhöhte sich weltweit um sechs und in Deutschland immerhin um drei Prozent. Mit 407 000 in Deutschland hergestellten Nutzfahrzeugen wurde erstmals die Marke von 400 000 Einheiten überschritten -Ê eine Marke, die, glaubt Jürgen Spier, 2006 erneut erreicht werden kann.

Artikel vom 08.03.2006