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Hartwig Fischer (CDU)

»Es besteht die Gefahr, dass die friedliche Entwicklung wieder aus dem Ruder läuft.«

Leitartikel
Bundeswehr nach Afrika

No-go
im
Kongo


Von Reinhard Brockmann
Im Kongo soll gewählt werden. Die Hoffnung verheißende neue Verfassung verlangt dies bis Ende Juni. »Völlig unmöglich«, sagt Georg Dörken. Er ist weder Soldat noch Politiker. Dafür weiß der Kongo-erfahrene Projektleiter der Welthungerhilfe besser als viele andere, wovon er spricht. Es wären die ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit 1960. Kandidieren kann nur, wer 50 000 US-Dollar mitbringt - und das Geld auch im Falle der Niederlage nicht zurückfordert
Aussichtsreichster Bewerber ist der amtierende Präsident Laurent Kabila. Kein Vorzeige-Kandidat, unter afrikanischen Bedingungen gilt er dennoch als akzeptabel. Allein die Tatsache, dass Kabila sein Amt zur Wahl stellt, ist ein gewaltiges Zugeständnis an westliche Demokratievorstellungen.
Kongo ist ein extrem reiches Land. Nur seine Menschen sind es nicht. Jahrelange Misswirtschaft, Korruption und Bürgerkriegswirren haben es zu einem der ärmsten der Welt gemacht. In einem acht Jahre währenden »afrikanischen Weltkrieg« sind fast vier Millionen Menschen ums Leben gekommen.
Wie so oft in Afrika täuscht der Blick auf die Landkarte. Der Osten und einige andere Teile des Staates von der Gesamtgröße Westeuropas werden von Rebellen oder Nachbarstaaten kontrolliert.
Die Frage eines deutschen Einsatzes am Wahltag und einige Monate darüber hinaus ist äußerst brisant und vielschichtig. Der Auftrag, mehr noch das chaotische Verfahren bei seiner Formulierung und die Debatten um nationale Kontingente bergen erhebliche Risiken.
Nur wenige Verteidigungspolitiker machen Druck wie der Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold. Er dringt auf eine schnelle Entscheidung der EU-Regierungschefs zugunsten einer Militäroperation im Kongo. Er fürchtet, dass sonst die Zeit davon läuft, um den Militäreinsatz noch seriös vorbereiten zu können. Vielen seiner Kollegen ist dagegen äußert unwohl zumute.
Löblich ist der mitunter auch an Naivität grenzende gute Wille der Entwicklungspolitiker. Sie wollen nicht nur beschwören, Afrika brauche eine Chance auf friedliche und demokratische Entwicklung. Sie sehen jetzt auch eine echte Chance dafür. In der Tat kann die Politik nicht mehr kneifen, wenn es konkret wird.
Tatsache ist: Selbst wenn die Wahlen noch schiedlich-friedlich über die Bühne gehen, ist ein neuer Bürgerkrieg bei der Umsetzung der Wahlergebnisse nicht ausgeschlossen. Neben dem Präsidenten stehen auch lokale Würdenträger zur Ab-Wahl. Friedliche Machtübergaben sind in Zentralafrika unbekannt. Selbst Europäer können das nachvollziehen, weil Wahlverlierer stets gemeinsam mit dutzenden bis hunderten Anhängern/Beamten über Nacht aus Amt und Würden gejagt werden. Übergangsgelder, wie in Europa, sind Fehlanzeige.
Außerdem: Die Adhoc-Verschickung der Bundeswehr könnte Schule machen: Elfenbeinküste, Somalia . . . - Afrika ist reich an brandheißen No-go-Areas.

Artikel vom 10.03.2006