08.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

US-Botschafter warnt vor Bürgerkrieg

Vom Irak kann Flächenbrand ausgehen - Britischer General will Rückzug bis 2008

Washington (dpa). In einer schonungslosen Analyse hat der US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad, vor einem Bürgerkrieg und einem Flächenbrand in der gesamten Golfregion gewarnt.

Der Sturz von Ex-Staatschef Saddam Hussein vor drei Jahren habe eine »Büchse der Pandora« geöffnet, sagte Khalilzad nach einem Bericht der »Los Angeles Times«. Sollten die USA ihre Truppen zu früh aus dem Irak abziehen, könnte die gesamte Golfregion in einem Krieg versinken. Khalilzad äußerte sich wenige Tage vor einer neuen Einschätzung der US-Regierung, ob die Situation im Irak einen Teilabzug der Truppen von 130 000 auf 100000 Soldaten möglich mache.
Aus Sicht Khalilzads ist im Irak das Potenzial dafür vorhanden, dass sich die Gewalt zwischen den Religionsgruppen zu einem umfassenden Bürgerkrieg ausweitet. Damit bestehe das Risiko eines regionalen Konfliktes, in dem Araber an der Seite der Sunniten und der Iran an der Seite der Schiiten kämpfen würden, sagte Khalilzad. Das sei eine noch größere Version des Krieges zwischen dem Irak und Iran in den 80er Jahren, bei dem mehr als eine Million Menschen getötet worden seien.
Im schlimmsten Fall könnten religiöse Extremisten ganze Landstriche im Irak übernehmen und sich von dort auf andere Länder ausbreiten, sagte Khalilzad. Der Botschafter warnte außerdem vor den katastrophalen Folgen, falls die Erdöl- und Erdgasversorgung aus der Golfregion unterbrochen werden sollte.
Khalilzad zeichnet ein völlig gegensätzliches Bild von der Lage im Irak als es Generalstabschef Peter Pace getan hatte. Pace sagte am Sonntag, dass die Dinge im Irak »sehr, sehr gut« verliefen.
Die britische Regierung hat unterdessen einen Zeitungsbericht über einen stufenweisen Abzug britischer Truppen aus dem Irak zurückgewiesen. Es gebe keinen »strikten Zeitplan«, sagte ein Sprecher von Premierminister Tony Blair. »Jegliche Rückzugspläne sind von der Sicherheitslage im Irak abhängig«. Die Zeitung »Daily Telegraph« hatte unter Berufung auf den ranghöchsten britischen Offizier in Bagdad, Generalleutnant Nick Houghton, berichtet, der Abzug der 8 000 im Irak stationierten Soldaten werde im Frühjahr beginnen und bis zum Sommer 2008 nahezu abgeschlossen sein.
»Ein Beginn des Truppenabzugs ist wichtig, um die Iraker davon zu überzeugen, dass wir ihr Land nicht besetzen«, sagte Houghton der Zeitung. Eine Übergangszeit von zwei Jahren sei realistisch. In dieser Zeit könnten die irakischen Sicherheitskräfte weiter ausgebildet werden, bis sie ohne fremde Unterstützung für Recht und Ordnung sorgen könnten. Houghtons fünfmonatige Stationierung im Irak geht in Kürze zu Ende.
Der »Daily Telegraph« berichtete, der Truppenabzug werde in vier Stufen erfolgen. In zwei der vier von Großbritannien kontrollierten Provinzen solle zunächst die Anzahl der Soldaten vom Frühjahr an reduziert werden. Die Briten zögen sich auf ihre Militärbasen zurück und hätten nur eine unterstützende Rolle. Falls die irakischen Sicherheitskräfte die Lage kontrollieren könnten, werde dann mit dem Abzug aus den anderen Provinzen begonnen.

Artikel vom 08.03.2006