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Aus dem Karriereknick
wird ein »Karrierekick«

Erfolgsfaktoren für Mütter in Führungspositionen

Von Bernhard Hertlein
Berlin/Gütersloh (WB). Das 21. wird das »Jahrhundert der Frauen« sagt Zukunftsforscher Matthias Horx. Im Augenblick allerdings üben viele Frauen in Führungspositionen noch den fast unmöglichen Spagat zwischen Sitzung und Spielplatz.

Gestern stellten Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und Liz Mohn, stellvertretende Vorsitzende der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung, in Berlin eine neue Studie der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) vor. Befragt wurden 500 Mütter, die es allen Hürden zum Trotz geschafft haben und heute als Unternehmerin oder Managerin in Betrieben mit bis zu 5000 Beschäftigten arbeiten. Sie erklärten übereinstimmend, dass die Familie ihnen den Rücken stärke. Durch die Kinder habe sich ihre Führungsfähigkeit zum Beispiel bei der Lösung von Konfliktfällen verbessert, so dass aus dem üblichen Karriereknick sogar ein »Karrierekick« wurde.
Darin waren sich alle Mütter einig: Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine gewissen Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort. »Diese Flexibilität ist wichtiger als die Frage nach dem Umfang der Arbeitszeit«, heißt es in der Studie. Nur in seltenen Fällen bieten die Unternehmen diese Flexibilität freiwillig an. Das Aushandeln von Regelungen, bei denen beide Seiten profitieren, bleibe den betroffenen Frauen überlassen. Widerstände seien vor allem Anfang die Regel. Offenbar verhandeln die Mütter jedoch geschickter. Männer, so die Studie, tun sich noch schwerer, Freiräume für familiäre Aufgaben zu schaffen.
Gefragt nach den Erfolgsfaktoren für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie nannten 85 Prozent ein gutes Zeitmanagement. An zweiter Stelle folgte mit 84 Prozent die Unterstützung durch den Partner. »Die Mehrheit der befragten Frauen hat sich bewusst für einen Partner entschieden, der bereit ist, von der traditionellen Rolle abzuweichen«, schreibt EAF. An dritter Stelle steht die öffentliche Kinderbetreuung, die von 72 Prozent der Frauen genannt wurde. 63 Prozent messen familienfreundlicher Unternehmenskultur hohe Bedeutung bei.
Ursula von der Leyen, selbst Mutter von sieben Kindern, betonte in Berlin, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine Frauenfrage sei: »Sie ist die Kardinalfrage zur Lösung der demographischen Herausforderungen.« Umso bedauerlicher ist es nach Ansicht von Liz Mohn, dass die meisten deutschen Firmen »das Leistungs- und Kreativitätspotenzial von Frauen in Führungspositionen noch nicht erkannt haben.«

Artikel vom 08.03.2006