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In China sind
sie Stars, in
der Heimat nicht

Bitteres Los für Heidemann und Boll

Von Ingo Notz
Minden (WB). Fechter haben es schwer. Alle vier Jahre nur eine Chance, zum Star zu werden. Und nach den olympischen 15-Warhol-Minuten drohen immer wieder vier Jahre Versenkung. Da kommen selbst Deutsche Tischtennis-Meisterschaften wie in Minden gerade recht, um Werbung zu machen.

Fechterinnen haben es dabei leichter als Fechter - wenn sie hübsch sind. Niemand wird ernsthaft behaupten, Britta Heidemann sei nicht hübsch. Auch nicht Timo Boll, Tischtennis-Superstar, den Heidemann jetzt am Rande des Tischtennis-Events zum Platten-Planche-Plausch traf.
Geschadet haben Britta die freizügigen Olympiafotos 2004 in einem Männermagazin nicht - die Kölner Sportstudentin weiß, dass nur sportliche Erfolge alleine selten ausreichen, mit einer Randsportart mediale Volltreffer zu landen. Die Vize-Weltmeisterin hat aber jenseits der Planche eine Geheimwaffe: ein Lächeln, das andere Konkurrentinnen aussticht und mindestens so viele Türen öffnet wie Medaillen. Kollegin Imke Duplitzer ist erfolgreicher - aber sie steht auch in Minden deutlich im Schatten der Degen-Beauty.
Weltcupsieger Timo Boll hat niemand gefragt, ob er Duplitzer kennt. Aber, ob er Heidemann kennt. »Gesehen habe ich sie auf jeden Fall schon«, lächelt der Tischtennis-Weltstar verlegen. Niemand fragt wo - oder in welchem Magazin. Natürlich. So einen Anblick vergisst Mann nicht so schnell. Nicht so schnell wie Erfolge in Leibesübungen. Beide sind in den Top Ten ihrer Weltrangliste, beide Galionsfiguren ihres (Rand-)Sports. »In der Provinz brauche ich in China Polizeischutz«, sinniert Boll mitten in der ostwestfälischen »Provinz« völlig unbehelligt über die unterschiedlichen Wahrnehmungsverhältnisse zwischen Heimat und Ferne.
Timo Boll ist nicht blond. Er sieht auch nicht aus wie Claudia Schiffer. Nacktfotos hat die Welt von ihm auch noch nicht gesehen. Er ist in Asien trotzdem ein Star. Meistens lieb, zu ruhig, um seinen reichlich vorhandenen Witz als Waffe zu benutzen, irgendwie kommt er so nicht ganz aus der Rolle des netten Jungen raus. In diesem Moment ist er wieder der nette Junge - nebenan sitzt Britta Heidemann. »Ich kann sie ja mal fragen, ob sie mir Nachhilfe gibt.« In Chinesisch. Britta ist auch nett - und bietet Timo gleich Gratisstunden an. Der Tischtennis-Dominator sucht neue Herausforderungen, lernt jetzt Chinesisch. Britta ist weiter. Sie spricht seit einem Schüleraustausch Mandarin, die Hauptsprache (»Es bleibt einem relativ wenig übrig, als schnell Chinesisch zu lernen - wenn die kein Englisch sprechen«), studiert in Köln neben BWL Sinologie, chinesische Regionalwissenschaften.
Für Boll liefen die Meisterschaften in OWL übrigens typisch »chinesisch«. Dem Erfolg im Einzel stand der bittere Verlust des Doppeltitels gegenüber. Keine Ente, vielmehr ein Ende süß-sauer. Den Hessen, schon als Staatsfeind Nummer eins der Chinesen gehandelt, weil vermutlich nur er den großen Heim-Triumph der Asiaten bei Olympia 2008 in Peking verhindern kann, zieht es ebenfalls stärker ins Land des Lächelns: »Chinesen erkennen Leistung noch an!« Deutsche nicht. Nicht immer.
Britta Heidemann, über die das Magazin China Allsports, eines der größten der Welt, immerhin eine Sieben-Seiten-Strecke produzierte und sie so über die Fechtszene hinaus zum Superstar machte, kennt das Problem: »Es macht riesig Spaß, dort mit den Medien zu arbeiten. Dort haben wir Aufmerksamkeit - hier sind Tischtennis und Fechten immer noch, es ist ein blödes Wort, Randsportarten.« In China gibt es nur einen Hauptsport: Tischtennis. »Fechten ist dort sicher lange nicht so hoch angesehen wie Tischtennis, aber in meinem Fall ist die Aufmerksamkeit dann schon groß: Naja, ich bin groß, blond - da geht den Chinesen das Herz auf!« Fechter haben es schwer - wenn sie nicht Britta Heidemann heißen...

Artikel vom 11.03.2006